Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 33. Die formelle Geschäftsbehandlung in der Ständeversammlung. 109 
3. Der Vorstand der Ständeversammlung besteht aus einem Präsi- 
denten und einem Vizepräsidenten in jeder der beiden Kammern. Das Amt derselben er- 
streckt sich je auf die Dauer einer ordentlichen Landtagsperiode (s. o. u. V. U. §§ 127 und 
190). Den Präsidenten der Ersten Kammer ernennt der König ohne Vorschlag. Der 
Vizepräsident wird dagegen von der Ersten Kammer aus der Zahl ihrer standesherr- 
lichen Mitglieder durch absolute Stimmenmehrheit gewählt. Die Kammer der Abge- 
ordneten wählt durch absolute Stimmenmehrheit aus ihrer Mitte ihren Präsidenten und 
ihre Vizepräsidenten. Hat sich bei einer dieser Wahlen eine absolute Mehrheit nicht er- 
geben, so sind diejenigen drei Miiglieder, welche die meisten Stimmen erhalten haben, 
in eine engere Wahl zu bringen. Wird hierbei keine absolute Mehrheit erreicht, so sind 
die beiden Mitglieder, welche die meisten Stimmen erhalten haben, in eine zweite engere 
Wahl zu bringen. Tritt hierbei Stimmengleichheit ein, so entscheidet das Loos. Dieses 
dient bei Stimmengleichheit auch zur Ausmittelung derjenigen Mitglieder, welche auf die 
engere Wahl zu bringen sind. So lange für die betreffende Kammer weder ein Präsident, 
noch ein Vizepräsident bestellt ist, sowie im Falle der Verhinderung derselben versieht in 
jeder Kammer die Stelle des Präsidenten das im Lebensalter älteste anwesende Kammer- 
mitglied oder, wenn dieses ablehnt, das ihm im Lebensalter nächststehende u. s. f. Jede 
Kammer wählt auf die Dauer eines Landtags mit relativer Stimmenmehrheit die erfor- 
derliche Anzahl von Schriftführern aus ihrer Mitte. Von sämmtlichen Wahlen ist dem 
König Anzeige zu machen ¹). 
4. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich; auch haben dieselben ihre 
Verhandlungen durch den Druck bekannt zu machen. Zu den Sitzungen der Zweiten 
Kammer, sowie zu den gemeinschaftlichen Sitzungen werden seit der Geschäftsordnung 
der Kammer der Abgeordneten von 1875 (§ 14) auch Frauen zugelassen. Zuhörer, welche 
ein Zeichen des Beifalls oder der Mißbilligung geben, werden auf Anordnung des Vor- 
sitzenden unverzüglich entfernt. Die Protokolle werden von den Schriftführern unterzeichnet. 
Ueber die Straffreiheit wahrheitsgetreuer Berichte gilt § 12 des St.G.-B. Die Oeffentlich- 
keit wird ausgeschlossen theils auf Begehren der Minister und Königl. Kommissarien bei 
Vorträgen, welche sie ihrer Erklärung nach im Namen des Königs zu machen haben, 
theils auf den Antrag von wenigstens drei Mitgliedern in der Ersten und von wenigstens 
zehn Mitgliedern in der Zweiten Kammer, wenn diesen, nach vorläufigem Abtreten der 
Zuhörer, die Mehrheit zustimmt ²). Der Druck des Protokolls einer geheimen Sitzung kann 
von der Kammer beschlossen werden, jedoch nur unter Zustimmung der Regierung, wenn 
die Sitzung auf Begehren der Minister oder Königl. Kommissarien eine geheime ge- 
worden war. 
5. Gegenstand  der Berathung und Beschlußfassung in den ein- 
zelnen Kammern sind die Vorlagen der Regierung, Mittheilungen der anderen Kammer, 
Berichte der Kommissionen, Anträge einzelner Mitglieder, Eingaben Dritter, der Rechen- 
schaftsbericht des ständischen Ausschusses. Von dem Ermessen der Regierung hängt es ab, 
ob deren Vorlagen zuerst bei der Ersten oder bei der Zweiten Kammer eingebracht werden, 
jedoch mit Ausnahme der Entwürfe, welche die Verwilligung von Abgaben betreffen (s. o.). 
ist, daß die nachträglich eingetretene Beschlußunfähigkeit eine bleibende und als solche festgestellt 
ist. So wurde es auch im Jahre 1849 gehalten, wo die K. d. St. H. ihre Beschlußunfähigkeit 
der K. d. A. anzeigte und diese hierauf beschloß, die Rechte der Ständeversammlung allein auszu- 
üben, auch hiervon der Regierung Anzeige machte; Verh. d. Abg.Kammer v. 1848/49, Pr. B. 4, 
S. 4052, 4056. Fälle einer Beschlußunfähigkeit der Ersten Kammer bei der Einberufung kamen 
1821, 1823 und 1828 vor; s. Mohl, I S. 596, 604. 
1) Verf. Ges. v. 23. Juni 1874 Art. 2. (V. U. § 164). 
2) V.U. § 167. Verf. Ges. v. 1874 Art. 4. Die Berathungen der Kommissionen sind nicht 
öffentlich, s. u. S. 112; vgl. auch die Verh. d. A.K. v. 19. Jan. 1881. 

	        
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