§ 33. Die formelle Geschäftsbehandlung in der Ständeversammlung. 111
mitgetheilt und zwar auch dann, wenn der Beschluß in einer gänzlichen Verwerfung der
Regierungsvorlage besteht. Eine Ausnahme findet nur statt bei Ausübung des Petitions-
und Beschwerderechts und bei Erhebung einer Anklage vor dem Staatsgerichtshofe (s. u.).
Die Kammer, an welche die Mittheilung erfolgt, kann den mitgetheilten Beschlüssen
unbedingt oder mit Abänderungen beitreten oder dieselben verwerfen. Die Verwerfung
muß aber jederzeit mit Anführung der Gründe geschehen. (V. U. §§ 179, 180.) Der von
der einen Kammer verworfene Antrag der anderen kann auf demselben Landtage nicht
wiederholt werden (V. U. § 183). In allen Fällen, mit einziger Ausnahme der Petitionen
und Beschwerden, sowie der Abgabenverwilligung können nur solche Beschlüsse an den
König gebracht werden, über welche beide Kammern ein Einverständniß erzielt haben.
Ist ein übereinstimmender Beschluß zu Stande gekommen, so soll derselbe von jeder
Kammer besonders der Regierung vorgelegt, im anderen Falle von jeder Kammer eine
Anzeige gemacht werden ¹). Nach der bestehenden Uebung werden jedoch die überein-
stimmenden Beschlüsse in der Form einer gemeinschaftlichen an den König gerichteten
Adresse dem Staatsministerium übergeben, welches dieselbe dem Könige vorlegt. Die gemein-
samen Adressen werden durch die beiden Präsidenten, die Eingaben ꝛc. einer Kammer je
durch deren Präsidenten unterzeichnet.
Das Staatsministerium hat die Erklärungen, Bitten und Wünsche der Stände jedes-
mal dem Könige vorzulegen, wenn es nicht Anstände dabei findet, welche es veranlassen,
vor der Vorlegung mit den Landständen Rücksprache zu nehmen.
Mit dem Staatsministerium und den einzelnen Ministerien kommuniziren im
Uebrigen die Kammern, deren Kommissionen, sowie der ständische Ausschuß in der Form
von Noten, welche von dem Vorstande unterzeichnet werden. Ein direkter Verkehr mit
anderen Staatsbehörden ist weder den Kammern, noch den Kommissionen gestattet. Eben-
sowenig steht den Kammern ein Recht der selbständigen Erhebung von Thatsachen durch
Vernehmung von Auskunftspersonen zu ²).
7. Die Kommissionsberathung. Eine Verloosung der vollen Versammlung in
Abtheilungen kennt das württemberg. Verfassungsrecht nicht; dagegen können die den Kam-
mern zur Beschlußfassung unterstellten Gegenstände zur Vorberathung an eine Kommission
verwiesen werden. Für alle Königl. Anträge ist, wenn dies von Seiten der Regierung
vor der Beschlußnahme über ihre Geschäftsbehandlung verlangt wird, die Verweisung an
eine Kommission vorgeschrieben (V.U. § 173, V.G. vom 23. Juni 1874 Art. 7). Im
Uebrigen steht es im Ermessen jeder Kammer, ob sie einen Gegenstand in voller Ver-
sammlung in einmaliger oder zweimaliger Lesung erledigen will, wie sie auch in jedem
Stadium der Berathung nachträglich beschließen kann, einen Gegenstand ganz oder zum
Theil an eine Kommission zu verweisen ³).
1) Königl. V.O. v. 23. Okt. 1841 über die äußere Gesch. Ordn. § 10.
2) Versuche, ein solches Recht der Enquête namentlich zum Zwecke der Wahlprüfungen sich
zu vindiciren, wurden zwar in der Abg. Kammer wiederholt gemacht (so auf dem Landtage von
1862/65 u. 1876/77), aber immer ohne Erfolg. Vgl. auch die Gesch. O. von 1851 Art. 21 und
von 1875 § 56 Abs. 3 und dazu das Königl. Rescr. v. 26. Mai 1851.
3) Die Verhandlungen des württemberg. Landtages waren bisher in Folge der Kommissions-
berathungen, namentlich aber in Folge der hergebrachten Art der Berichterstattung äußerst schwer-
fällig. Die Berichte beschränkten sich nämlich nicht darauf, über den Gang und das Ergebniß der
Kommissionsberathungen dem Hause Mittheilung zu machen, sondern es sind meist weitschweifige
Elaborate, welche von den gewählten Berichterstattern vor Beginn der Kommissionsarbeiten, in
wochen- oder monatelanger Privatthätigkeit hergestellt werden und nicht selten blos in einer Wieder-
holung des Inhalts der Regierungsmotive bestehen. An der Hand dieser Arbeiten findet dann die
Kommissionsberathung statt, so daß der schließlich ausgefertigte Bericht bisher zugleich dazu diente,
den Kammermitgliedern das Lesen der Regierungsvorlage zu ersetzen, und damit den Kommissions-
beschlüssen den hergebrachten Einfluß auf die Entschließungen des Hauses zu sichern.