Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

114 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 34. 
seiner ordentlichen Wirksamkeit verdrängt hatte. Sowenig dieses aus der korporativen 
Grundlage der früheren Landschaft hervorgewachsene Institut in die neue repräsentative 
Verfassung paßte, und so manche schlimme Erinnerungen sich an dasselbe knüpften, so 
wurde der ständische Ausschuß dennoch in Folge des zähen Festhaltens der württemberg. 
Verfassungspartei an dem „alten Recht“ im Jahre 1819 in die jetzt in Geltung befind- 
liche Verfassung aufgenommen. 
Nach § 187 der V. U. ist der Ausschuß, solange die Stände nicht versammelt sind, 
der Stellvertreter derselben für diejenigen Geschäfte, deren Besorgung von einem Landtage 
zum anderen zur ununterbrochenen Wirksamkeit der Repräsentation des Landes 
nothwendig ist. Obgleich derselbe hiernach als Stellvertreter der Stände bezeichnet ist und 
von diesen gewählt wird, so ist er doch nicht Beauftragter derselben in dem Sinne, daß 
die Stände den Umfang seiner Befugnisse nach den Grundsätzen des Mandats bestimmen 
können, sondern seine Rechte und Pflichten sind durch die Verfassung genau geregelt (s. II.) 
und können nur im Wege der Verf.Ges. abgeändert werden. 
I. Die Zusammensetzung des Ausschusses. Der Ausschuß besteht aus zwölf Per- 
sonen, nämlich aus den Präsidenten der beiden Kammern, welche von Amtswegen dem- 
selben angehören und aus zehn gewählten Mitgliedern, zwei Mitgliedern aus der Ersten 
und acht aus der Zweiten Kammer. Die Wahl erfolgt durch die zu diesem Zwecke ver- 
einigten Kammern nach relativer Stimmenmehrheit auf die Zeit von einem ordentlichen 
Landtage zum anderen (auf drei Jahre) ¹). Das Ergebniß der Wahl ist dem König anzu- 
zeigen. Sollte nur eine Kammer vollzählig versammelt sein, so hat diese in Vertretung 
der gesammten Ständeversammlung auch die nöthige Zahl von Mitgliedern aus der anderen 
Kammer zu wählen. 
Von den 12 Ausschußmitgliedern müssen sechs, einschließlich der Präsidenten der 
beiden Kammern, in Stuttgart anwesend sein (engerer Ausschuß) ²). Die übrigen Mitglieder 
 
Gesch, des landsch. Ausschusses. Göttingen, 1796 und B. XIII S. 15 ff. der sämmtl. Werke, 
Fricker u. Geßler, Verf.Gesch. S. 90 ff., Mohl, I S. 736. Es ist hier nicht der Ort, die 
Mißbräuche zu schildern, welche sich an die Wirthschaft des ehemaligen aus zwei Prälaten und sechs 
Abgeordneten der Städte und Aemter zusammengesetzten — engeren Ausschusses, dessen Mitglieder 
auf Lebenszeit durch Kooptation vom Ausschusse selbst gewählt waren, und dessen Hauptthätigkeit 
in der Verwaltung der von den Ständen verwilligten Steuern bestand, im Laufe der Zeiten geknüpft 
hatten. Die Broschürenlitteratur der Jahre 1796—1799 ist reich an Materialien zur Beurtheilung 
dieses Institutes, welches den Mittelpunkt des schwäbischen Familiennepotismus bildete und mit 
Hilfe der von ihm neben der Landschaftskasse — ohne jede Kontrolle — verwalteten geheimen 
Kassen (der sog. Negociationskasse und der geheimen Truhe) einen weitreichenden Einfluß selbst auf 
diplomatischem Gebiete ausübte. Es sei hier nur an die Verhandlungen der Stände mit Preußen, 
Dänemark und England in den Jahren 1764—1770, an die Verhandlungen mit der französ. Kon- 
ventsregierung, an die Beschickung des Rastatter Kongresses durch ständische Delegirte erinnert; 
(vgl. auch W. Lang in den preuß. Jahrb. 1883). — In der Verfassung von 1819 ist zwar die 
politische Bedeutung des Ausschusses sehr herabgemindert worden und in der Praxis ist dieselbe dem 
Landtage gegenüber mehr und mehr zurückgetreten. Aber auch jetzt verdient das Institut kein Lob. 
Die Wahl des Ausschusses im Zusammentritte beider Kammern, wobei die Mitglieder der K. d. St. 
H. und die sog. Privilegirten der Zweiten Kammer den Ausschlag geben, die Gewährung fixer 
Besoldungen an die Mitglieder des engeren Ausschusses hat seit 1819 die Wahl in denselben zum 
Zielpunkte egoistischer Bestrebungen gemacht und nachtheilig auf die Ständekammer eingewirkt. Die 
Aufnahme der Staatsanlehen — im direkten Verkehre mit den Inhabern der großen Bankinstitute — 
ist vollends eine Thätigkeit, welche viel besser der dafür verantwortlichen Regierung, als einem kleinen, 
von der Volksvertretung losgelösten, in geheimer Sitzung vereinigten Ausschusse übertragen wird. 
1) Ges. v. 6. Juli 1855. 
2) Die Praxis ist übrigens neuerdings bezüglich des Wohnsitzes in Stuttgart — angesichts 
der erleichterten Verkehrsmittel — sehr lax. Da jedoch formell der Wohnsitz eines Mitglieds des 
engeren Ausschusses sich in Stuttgart befinden muß, so bedarf ein auswärts wohnender Beamter, 
ungeachtet der Vorschrift des Art. 1 des V.G. v. 23. Juni 1874, um seinen Wohnsitz rechtsgiltig 
nach Stuttgart verlegen zu können, und damit zur Annahme der Wahl in den engeren Ausschuß, 
eines Urlaubs.
	        
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