116 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 34.
Reihe an dasjenige Mitglied der anderen Kammer, welches die meisten Stimmen bei der
Ausschußwahl erhalten hatte, jedoch nur bis zum nächsten Landtage, von welchem unter
allen Umständen ein Mitglied aus jener Kammer neu gewählt werden muß.
Bei Verhinderung des Präsidenten einer Kammer tritt der Vicepräsident dieser
Kammer an seine Stelle. Ist dieser schon Mitglied des engeren Ausschusses, so wird
inzwischen seine Stelle durch ein Mitglied des weiteren Ausschusses von der betreffenden
Kammer und dieses wieder in der vorhin angegebenen Weise ersetzt.
Die Mitglieder des Ausschusses stehen in Beziehung auf ihre Funktion im Ausschusse
unter demselben persönlichen Schutze, wie die Mitglieder der Ständeversammlung während
eines versammelten Landtages; (s. V.U. § 185 in seiner jetzigen Fassung) ¹).
II. Geschäftskreis des Ausschusses. Als Geschäfte, deren Besorgung zur ununter-
brochenen Repräsentation des Landes nothwendig ist (s. o.), werden in der V. U. speziell
folgende hervorgehoben, auf welche sich hiernach auch die Berufsthätigkeit des Ausschusses
zu beschränken hat:
1. Die Sorge für die Erhaltung der Verfassung, also die Vertheidigung so-
wohl der ständischen Rechte als der sog. Volksrechte. Zu diesem Behufe ist er befugt:
a. Vorstellungen, Verwahrungen und Beschwerden bei dem Staatsministerium
einzureichen, sei es nun aus eigenem Antriebe oder veranlaßt durch Klagen der durch
einen Akt der Staatsgewalt in ihren verfassungsmäßigen Rechten gekränkten Staatsbürger ²).
Die von der Regierung erlassenen Verordnungen hat er zu diesem Behufe aus dem Ge-
sichtspunkte ihrer Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit zu prüfen; b. er hat das Recht, nach
Erforderniß der Umstände, namentlich wenn es sich um die Anklage der Minister vor dem
Staatsgerichtshofe handelt, um Einberufung einer außerordentlichen Stände-
versammlung bei der Staatsregierung zu bitten. Wird die Einberufung ausgesprochener-
maßen wegen einer solchen Anklage verlangt, so darf dieselbe von der Regierung nicht
verweigert werden, „wenn der Grund der Anklage und die Dringlichkeit derselben gehörig
nachgewiesen ist“ ³); c. bei wichtigen Angelegenheiten hat der Ausschuß die im Königreiche
wohnenden Ständemitglieder von seinen Schritten (ad 1) in Kenntniß zu setzen, wo-
gegen ihm verboten ist, Angelegenheiten, welche vor die gesammten Stände gehören, an
einzelne Stände zu bringen oder Erklärungen einzelner ständischer Mitglieder, Städte oder
Oberamtsbezirke darüber einzufordern ⁴).
2. Der Ausschuß übt eine spezielle Aufsicht gegenüber der Finanzverwaltung
aus: a. er hat am Ende jedes Finanzjahres durch Untersuchung der ihm zu übergebenden
Staatsrechnungen zu prüfen, ob die verwilligten Steuern (und sonstigen Einnahmen) in
dem verflossenen Jahre richtig und der Verabschiedung gemäß verwendet worden sind;
zutreffenden Falles kann er bei dem Staatsministerium Beschwerde führen und über seine
Schritte der Ständeversammlung berichten ⁵); b. gleichzeitig hat der Ausschuß den von den
1) Vgl. über alles Vorstehende V. U. §§ 187, 190, 192 und das mit Einwilligung der Stände
erlassene Königl. Rescr. v. 5. April 1830, sowie das Ges. v. 20. Juni 1821; ferner Mohl, I.
S. 736 ff. und die Mater. bei Bitzer, S. 210 ff.
2) V. U. § 188; es ist Sache des Ausschusses, zu erwägen, ob er der Beschlußfassung der
Stände, welche später die Genehmigung verweigern können, vorgreifen oder die zu ergreifenden
Schritte auf den Wiederzusammentritt der Stände aussetzen will; seine „Vollmacht“ zu solchen Vor-
stellungen ꝛc. ist nach dem Wortlaut der Verfassung unzweifelhaft; A. M. Sarwey, II S. 237.
3) Eine sehr elastische Bestimmung, auch wenn man annimmt, daß für die Ablehnung Gründe
angegeben werden müssen; Fricker, V. U. S. 464.
4) V. U. § 188; vgl. m. § 125.
5) Die Staatsrechnungen unterliegen zwar vor ihrer Vorlegung an die Stände einer genauen
Prüfung durch die Oberrechnungskammer, doch ist letztere eine einfache, dem Finanzministerium
untergeordnete Mittelstelle. Das Institut eines sog. Rechnungshofes mit der unabhängigen Stellung
eines obersten Gerichtshofes ꝛc. fehlt in Württemberg.