170 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Staates. I. Die Gesetzgebung. § 53.
sionirten Beamten noch ein abgegrenzter amtlicher Geschäftskreis übertragen ¹), so wäre
dies nichts anderes als die Verleihung eines neuen unbesoldeten Amtes mit allen damit
verbundenen Rechten und Pflichten. Eine solche Uebertragung wäre mit dem B. G. nicht
unvereinbar, da dieses unbesoldete Beamte nicht ausschließt. Der Beamte würde
dann, obgleich er sich bezüglich seines bisherigen Amtes im Pensionsstande befindet, be-
züglich des neuen unbesoldeten Amts dem Disziplinarverfahren, insbesondere der Ent-
fernung vom Amte unterliegen; auch eine zwangsweise Versetzung in den Ruhestand
wäre denkbar, wenn auch ohne Ruhegehalt für das neue Amt, weil der Ruhegehalt einen
Theil des Gehaltes der Amtsstelle bildet, und der Beamte einen solchen seit seiner Pensio-
nirung nicht mehr bezogen hat ²).
Fünfter Abschnitt.
Die Funktionen des Staates.
I. Kapitel.
Die Gesetzgebung.
§ 53. I. Das Gesetz ³). Im formellen Sinne ist Gesetz jeder Befehl der
Staatsgewalt, welcher im Wege der Gesetzgebung, also durch das Staatsoberhaupt unter
Gegenzeichnung eines Ministers und mit vorgängiger Zustimmung der Stände erlassen
und vorschriftsmäßig verkündet worden ist. Das Gesetz ist innerhalb der Grenzen der
der Landesstaatsgewalt zukommenden Autonomie der höchste Ausdruck des unverantwort-
lichen Staatswillens, welcher eben deßhalb nur außer Kraft gesetzt werden kann durch eine
in derselben höchst verbindlichen Form erlassene Willenserklärung der Staatsgewalt. Inhalt
des Gesetzes kann sowohl eine allgemeine Rechtsnorm, durch welche die Willensfreiheit
der Einzelnen umgrenzt wird, als die Bestimmung eines individuellen Rechtsverhältnisses
sein oder aber eine einzelne Verwaltungsverfügung, welcher durch die Form des Gesetzes
eine höhere Autorität und ein gewisser Grad von Unabänderlichkeit verliehen werden soll.
In diesem Sinne bestimmt der § 88 der württemberg. V.U., daß das Staatsoberhaupt
ohne die Zustimmung der Stände kein Gesetz geben, abändern oder authentisch erläutern
1) Z. B. die Funktion als Vorsitzender eines Nebensenats oder einer Abtheilung ꝛc.
2) Nach dem R. G.V.G. wäre zwar eine solche Function, wenn sie auf Lebenszeit über-
tragen wird (§ 6), nicht ausgeschlossen; da jedoch der § 7 dess. für die Ausübung des Richteramts
ein festes Gehalt erfordert, welches dann neben der Pension bezw. dem Gehalt des sonstigen Amts
(z. B. eines Univers. Lehrers) blos für die Richterfunktion festzusetzen wäre, so würde damit der
Begriff der Ehrenmitgliedschaft wie des Ehrenamts wegfallen.
3) Vgl. hierüber Laband, R. St. R. I S. 512 f., 566 f., II S. 1037, 1050 f. u. die hier
angef. Litt.; über das Verhältniß der Reichsgesetzgebung zur Landesgesetz-
gebung insbesondere I S. 614 f. und in diesem Hdb. II I S. 75 f., 85 f., 97 f.; s. auch oben
S. 13. Das Gewohnheitsrecht unterscheidet sich von dem Gesetze dadurch, daß es nicht auf
einem Befehle der Staatsgewalt, sondern auf dem Bewußtsein von der Rechtsverbindlichkeit einer
bestehenden Uebung beruht. Die Bedeutung desselben ist auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts
heutzutage eine äußerst geringe. Das württemberg. Recht enthält hierüber keine besonderen Be-
stimmungen; s. daher Gareis in diesem Hdb. I I S. 19 u. 20 u. Mohl, I S. 75. Wächter,
S. 32f.