Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

178 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Staates. II. Die Verwaltung. § 56. 
Jeder Befehl der Staatsgewalt ist als Ausfluß der Herrschaftsrechte der letzteren 
den Unterthanen gegenüber erzwingbar, sei es nun durch unmittelbare Zwangs- 
vollstreckung, sei es durch Anwendung von Ungehorsamsstrafen. Dies gilt auch von den 
Verfügungen derjenigen Organe der Staatsgewalt, welche mit Rücksicht auf die ihnen 
zunächst zugewiesene Aufgabe keine obrigkeitliche Gewalt (imperium, jurisdictio) aus- 
zuüben haben, wie z. B. die technischen Behörden, insofern die Befehle der letzteren 
erforderlichen Falls durch Requisition der mit obrigkeitlicher Gewalt ausgestatteten Be- 
hörden erzwungen werden ¹). Ueber die Zwangsgewalt der Verwaltungsbehörden — im 
Gegensatze zu der den Gerichten, einschließlich der Verwaltungsgerichte, zustehenden Juris- 
diktionsgewalt i. w. S. — gelten jetzt folgende Grundsätze: 
a) Die Befugniß zur Verfügung von Ordnungsstrafen wegen Ungehor- 
sams gegen die von ihnen innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen und ordnungsmäßig 
eröffneten Anordnungen, sowie wegen Verletzung der den Behörden schuldigen Achtung 
durch ungebührliches Benehmen oder ungebührliche Aeußerungen im mündlichen 
oder schriftlichen amtlichen Verkehr steht nach den näheren Bestimmungen der Polizeistraf- 
novelle vom 12. August 1879 Art. 2, 3, 5, u. 11 allen Kollegialstellen, dann den Ober- 
ämtern, den Forstämtern, den Eisenbahnstellen in Ausübung der Eisenbahnpolizei, den 
Ortsbehörden (Ortsvorstehern und Gemeinderäthen) zu ²). 
b) Die Erlassung von Strafverfügungen der Polizeibehörden ³) nach Maß- 
gabe des § 453 der Str. Pr.O. ist durch die angeführte Polizeistrafnovelle und — bezüglich 
der Forstpolizei — durch das Gesetz vom 8. Sept. 1879 geregelt. Hiernach steht dem Beschul- 
digten gegen die Strafverfügung außer dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die ein- 
malige Beschwerde an die nächstvorgesetzte Polizeibehörde in alternativer Konkurrenz zu. 
Die Erlassung von Strafbescheiden bei Zuwiderhandlungen gegen die Vor- 
schriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle nach § 459 der Str. Pr. O. 
erfolgt mit Ausnahme des Falles der Konkurrenz mit einer gerichtlich strafbaren Handlung 
und der Fälle, in welchen die Handlung mit einer andern Strafe als mit Einziehung 
oder Geldstrafe bedroht ist, durch die Verwaltungsbehörde nach den näheren Bestimmungen 
des Gesetzes vom 25. August 1879. Die Untersuchung wird von den Hauptämtern 
(d. h. den Hauptzollämtern, Hauptsteuerämtern und Kameralämtern) geführt. Gegen die 
Entscheidungen der Hauptämter ist eine einmalige Beschwerde an die Direktivbehörde, gegen 
die Strafbescheide der letzteren eine solche an das Finanzministerium in alternativer Kon- 
kurrenz mit dem Antrage auf gerichtliche Entscheidung zulässig. 
c) Das Recht zur Anwendung direkter Zwangsmittel zur Ausführung 
ihrer Anordnungen steht zu: α) den Polizeibehörden, sofern die Anordnung 
innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffen und ordnungsmäßig eröffnet worden ist ⁴); β) die 
Zwangsvollstreckung wegen öffentlichrechtlicher Leistungen ist durch 
ein besonderes Gesetz vom 18. August 1879 geregelt. Dasselbe erstreckt sich sowohl auf die 
 
1) So z. B. bezüglich der Befehle der Gerichts- und Amtsnotare, der Beamten der Sanitäts- 
polizei, der Bauinspektoren ꝛc; s. auch Laband, I S. 409, 11 S. 6 N. 2. 
2) Schicker, Pol. Str. R. S. 174 f., 179 f. Bezüglich der Forstämter s. die Bekanntm. v. 
31. Dez. 1818 und die Motive zu Art. 39 des Forstpol. Str. G. v. 8. Sept. 1879; die Befugnisse 
der Gerichte sind durch das R. G. V.G. §§ 179—182 u. Art. 33 des Ausf.G. zu letzterem geregelt. 
3) Ges. v. 12. Aug. 1879 Art. 9 ff. Polizeibehörden sind: die Ortsvorsteher, die Eisen- 
bahnstellen in Beziehung auf bahnpolizeiliche Uebertretungen, in gewissen Fällen die Hafendirektion in 
Friedrichshafen, generell aber die Oberämter. Zur Kompetenz des Ortsvorstehers gehört auch die 
Rüge der Schulversäumnisse; über die Strafgewalt der Distriktswahlkommission s. o. S. 99. Die 
Ortsschulbehörde und der Kirchenkonvent, wo ein solcher noch besteht, sind zum Erlaß polizeilicher 
Strafverfügungen nicht befugt. 
4) Ges. v. 12. Aug. 1879 Art. 2 Abs. 2 u. Schicker a. a. O. S. 178 f.
	        
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