§ 56. Die Verwaltung. 179
Zwangsvollstreckung aus verwaltungsgerichtlichen Urtheilen als auf die Vollstreckung der
Entscheidungen (Verfügungen und Auflagen ꝛc.) der Verwaltungsbehörden ¹);
2. oder Dienstbefehle, d. h. Befehle der vorgesetzten Behörde an die ihr
untergeordneten, durch das besondere Dienstverhältniß zum Gehorsam verpflichteten Organe.
Diese Befehle können Spezialerlasse sein, durch welche eine bestimmte Handlung
oder Unterlassung anbefohlen wird, oder Generalverfügungen, Verwaltungsverord-
nungen, durch welche den untergebenen Behörden, nicht den einzelnen Staatsangehörigen,
generelle Verhaltungsregeln vorgeschrieben werden. Auch diese Verwaltungsverordnungen
können wie die Rechtsverordnungen (s. o. S. 174 f.) nach Beschaffenheit der Umstände vom
Staatsoberhaupt oder vom Ressortminister oder von anderen Behörden erlassen werden.
Sie werden den Behörden, für welche sie bestimmt sind, kundgegeben; in neuerer Zeit
werden hierzu die Amtsblätter der verschiedenen Departements verwendet.
Die Befolgung der Dienstbefehle ist Amtspflicht, der Ungehorsam gegen dieselben
ein Disziplinarvergehen, welches nach den näheren Bestimmungen des Beamtengesetzes
(s. o. S. 144 u. 149 ff.) zu rügen ist ²).
II. Die Leitung und Kontrolle der Verwaltung wird innerhalb des Verwaltungs-
organismus ³) selbst durch die vorgesetzten Behörden und zwar sowohl gegenüber den
untergeordneten Staatsbehörden als gegenüber den Selbstverwaltungskörpern ausgeübt.
Das Recht der obersten Leitung ist jedoch begrenzt durch die in der
Verfassung und den bestehenden Gesetzen begründeten materiellen Schranken. Daß die Ent-
scheidungen der Gerichte, einschließlich der Verwaltungsgerichte jedem Eingriffe der Ver-
waltung entzogen sind, also auch nicht von der letzteren aufgehoben oder auch nur thatsächlich
außer Wirkung gesetzt werden können, ergibt sich aus § 93 der V. U. wie aus § 1 des
R.G. V.G. ⁴). Gegenüber den Verwaltungsbehörden dagegen ist die Staatsregierung in
Ausübung der vollziehenden Gewalt nur insoweit beschränkt, als — ausnahmsweise —
für die Berwaltungsbeamten eine Pflicht zum Gehorsam in Beziehung auf gesetzwidrige
Anordnungen der vorgesetzten Behörde nicht besteht; s. hierüber oben § 46 B. 2 (S. 144 f.).
1. Ein allgemeines Recht, von der Anwendung der Gesetze im einzelnen Falle
zu dispensiren, steht auch dem Staatsoberhaupt in seiner Eigenschaft als
Träger der Staatsgewalt nicht zu. Denn im Verfassungsstaate ist die Staatsgewalt
selbst an die Verfassung und an die Gesetze gebunden. Ausnahmen von den Gesetzen im
einzelnen Falle kann nur die Gesetzgebung machen ⁵). Dem Könige steht hiernach, abgesehen
1) Das Nähere hierüber s. bei Gaupp, Komm. z. C. Pr. O. Anh. S. 48f.
2) Ueber die Disziplinargewalt der Bezirksbeamten und Ortsvorsteher ꝛc. s. jetzt die Gem.
Verw.Nov. v. 21. Mai 1891 Art. 56—59. Ueber die Disziplinargewalt gegenüber den Mitgliedern
der Ortsschulbehörde s. das Ges. v. 13. Juni 1891 Art. 9.
3) S. auch oben § 19 III u. § 41 II.
4) Akte der Kabinetsjustiz, wie überhaupt alle Verfügungen der Verwaltung, durch welche in
die Thätigkeit der Gerichte eingegriffen wird, Entscheidungen derselben außer Wirkung gesetzt werden,
sind von den Gerichten als nicht vorhanden zu betrachten, die Vorschriften über die Gehorsamspflicht
der Beamten finden hier keine Anwendung. S. auch Mohl, I S. 213.
5) Vgl. auch Wächter, Württemberg. P.R. II S. 131 f., Reyscher, Württemberg. Pr. R
§ 76 Note 6—8 u. Gerber in der Tüb. Zeitschr. für Staatswissensch. B. 27 S. 430. G. Meyer,
D. St.R. B. I S. 454. Sarwey, II S. 72 f. Laband, II S. 1031 f. u. mit besonderer Beziehung
auf Finanzsachen: im Arch. f. ö. R. 1892 S. 169f. u. Joöl in Hirth's Ann. XXI S. 805 ff. XXIV.
S. 417, XXV S. 283; Curtius ebend. 1893 S. 670. A. A. Mohl, I S. 209, welcher, obgleich
die württemb. Verf. eine Bestimmung über das Dispensationsrecht nicht enthält, dennoch dem König
ein allgemeines Dispensationsrecht zuschreibt. Früher nahm auch die Staatsregierung ein solches
in Anspruch, wobei jedoch in Betracht kommt, daß zur Zeit des Herzogthums das Dispensationsrecht
nicht zu beanstanden war, da das Gesetzgebungsrecht des Herzogs formell nicht beschränkt war. Die
Ständekammer hat ein allgemeines Dispensationsrecht seit Erlassung der Verfassung nie anerkannt;
vgl. auch die Verh. d. Abg. Kammer 1870/74. Prot. B. I S. 979 ff. Thatsächlich hat denn auch die
neuere Gesetzgebung das Erforderniß ausdrücklicher Gestattung der Dispensation durch Gesetz — auch
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