Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

6 Erster Abschnitt: Geschichtliche Einleitung. III. § 1. 
gionsreversalien die Episkopalrechte des Landesherrn auf ihn übertragen wurden, und der Geheime- 
rath damit zum Wahrer der verfassungsmäßigen evangelischen Landesreligion wurde ¹)  
Im engsten Zusammenhang mit der privatrechtlichen Natur der ständischen Rechte und der 
Anwendung der reinen Grundsätze des Mandats auf die Vertretung der Korporationen in der Land- 
schaft stand die Stellung des ständischen Ausschusses, als eines sich selbst ergänzenden Stell- 
vertreters der Landschaft, welcher — in einen kleinen und einen großen Ausschuß sich abtheilend ²) 
— im Laufe der Zeit mehr und mehr die Thätigkeit der Landschaft selbst, welche Jahrzehnte lang 
nicht berufen wurde, verdrängte, und durch die Macht, welche die theilweise unkontrolirte Verwaltung 
der ständischen Kassen in seine Hand legte, eine Nebenregierung bildete, die im Laufe der Zeiten 
eine Quelle vielfacher Mißbräuche wurde ³). 
III. Die Umgestaltung der staatlichen Verhältnisse in Europa, welche im Gefolge der fran- 
zösischen Revolution eintrat, führte in Württemberg zunächst zu einer territorialen Veränderung, 
an welche sich in der Folge mit innerer Nothwendigkeit die Aufhebung der bisherigen, mit der Neu- 
gestaltung des Staatswesens unvereinbaren altwürttembergischen Verfassung anschloß. 
Schon am 7. August 1796 hatte Württemberg mit Frankreich einen Separatfrieden ab- 
geschlossen, in welchem es seine linksrheinischen Besitzungen ⁴) an Frankreich abtrat. Nach Bestäti- 
gung dieser Abtretung durch den Frieden von Lüneville (9. Febr. 1801) ließ sich Württemberg 
zunächst durch einen Vertrag vom 20. Mai 1802 die Thätigkeit Frankreichs zur Herbeiführung einer 
möglichst günstigen Entschädigung zusichern. Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Febr. 
1803 brachte dann dem Herzog neben der Kurwürde ⁵) als Ersatz für die linksrheinischen Besitzungen 
eine sehr beträchtliche Entschädigung an vormals geistlichen und reichsstädtischen Gebieten, deren 
Besitznahme schon durch herzogliches Rescript vom 7. Dez. 1802 erfolgt war ⁶). Durch Verordnung 
vom 19. November 1805 ⁷) nahm der nunmehrige Kurfürst ohne jeden Rechtstitel die innerhalb der 
alten und neuen Grenzen von Württemberg gelegenenen Gebiete der Reichsritterschaft, des Deutschen 
und des Johanniter-Ordens unter dem Schutze Napoleon's (Tagesbefehl vom 19. Dezember 1805) 
in Besitz. Ein Separatvertrag zwischen Württemberg und Frankreich vom 12. Dezember 1805 und, 
diesem entsprechend, der Preßburger Friede (26. Dezember) brachte dann weiteren bedeutenden Landes- 
zuwachs, darunter namentlich die früher vorderösterreichischen Besitzungen mit den sog. Donaustädten ⁸). 
Schon die durch den Reichsdeputationsrezeß erworbenen Besitzungen hatte der Kurfürst, weil 
dieselben die Entschädigung für die verlorenen linksrheinischen Gebiete bildeten, welche nicht im 
Verbande der altwürttembergischen Verfassung standen, dem alten Lande nicht inkorporirt, sondern 
zu einem neuen Staatsganzen vereinigt, welches den Namen Neuwürttemberg erhielt und absolut 
regiert wurde, wobei auf die seitherige politische Verfassung der säkularisirten Lande — ungeachtet 
der Vorschrift des § 60 des R. Dep. Hauptschlusses — keine Rücksicht genommen wurde. In derselben 
Weise wurde mit den Erwerbungen des Jahres 1805 verfahren. 
Inzwischen dauerten im Stammlande die Streitigkeiten zwischen dem Herzog Friedrich II., 
nunmehrigen Kurfürsten, dem ersten seit 1733 wieder in der evangelisch-lutherischen Religion er- 
zogenen württembergischen Regenten ⁹) und der Landschaft fort. Letztere hatte sich schon früher ge- 
1) Vgl. hierüber unten § 20. 
2) Der kleine Ausschuß war gebildet aus zwei Prälaten und sechs von der Landschaft, 
darunter ein Vertreter von Stuttgart und einer von Tübingen; der große Ausschuß bestand aus 
dem kleinen Ausschuß und weiteren zwei Prälaten und sechs von der Landschaft. Die Rechte des 
Ausschusses waren geregelt durch den „Ausschußstaat", (der älteste von 1554, der jüngste von 1638); 
s. auch Fricker und Geßler a. a. O. S. 96ff. 
3) Ueber die Organisation der Behörden und die Verwaltung während des Herzogthums 
vgl. auch Mohl, 1 S. 9 ff. und das geog.-statist. Lexikon von Schwaben. Ulm (1791), S. 1100ff. 
4) Die oben erwähnte Grafschaft Mömpelgard, die Stadt Reichenweiher und einige kleinere 
Orte im Elsaß. 
5) Den kaiserlichen Kurfürstenbrief  vom 24. August 1803 s. bei Reyscher a. a. O. 
S. 645. Neben der Stimme im Kurkollegium erhielt Württemberg noch drei weitere Stimmen im 
R.-Fürstenrath an der Stelle der einen Mömpelgard'schen (für das Herzogthum Teck, die Pfalz- 
grafschaft Tübingen und die Abtei Zwiefalten).  
6) Württemberg erhielt 121,000 Einwohner, während es nur 50,000 abgetreten hatte; daneben 
mussten Renten im Gesammtbetrag von 88,000 fl. jährlich übernommen werden; Wächter, 1 
S.327 N. 13.  
7) Reyscher, G.S. B. XIV S. 1300. 
8) Es waren dies die Grafschaft Hohenberg, die Landgrafschaft Nellenburg, die Landtvogtei 
Altdorf, die Städte Ehingen, Munderkingen, Riedlingen, Mengen und Saulgau und die dem Johan- 
niterorden gehörige Grafschaft Bondorf; das Nähere s. bei Wächter, 1 S. 696f. 
9) Der am 23. Dez. 1797 verstorbene Herzog Friedrich Eugen hatte als Prinz bei seiner 
 
	        
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