186 Fünfter Abschnitt: Die Funktionen des Staates IV. Das Expropriationsrecht. § 58.
barkeit. Die Auferlegung einer blos vorübergehenden Beschränkung ist nur in den Grenzen
des Art. 4² zulässig¹). Anders, wenn das Recht oder die Beschränkung eines solchen
nicht den unmittelbaren Gegenstand der Enteignung bildet, sondern nur mit dem der
Substanz nach abzutretenden Grundstück als dinglicher oder persönlicher Anspruch ver-
bunden ist. Denn hierbei handelt es sich nicht sowohl um die Zulässigkeit der Enteig-
nung selbst als um die Ausführung derselben und die Verteilung der Entschädigungs-
summe²). — Unter den Rechten sind auch Vermögensrechte öffentlicher Natur begriffen,
welche unter dem Rechtsschutze der Verwaltungsgerichte stehen, s. d. Ges. über die Verw.-
Rechtspflege Art. 10 Z. 21 ff., soweit solche Rechte nicht auf dem Verwaltungsweg be-
seitigt werden können (s. Lit. c.) ³).
b. Das Unternehmen muß einem allgemeinen Staats- oder Korporations-
zwecke dienen. Die Abtretung oder Beschränkung darf also nicht blos zur Erreichung
eines vermögensrechtlichen Zwecks dieser Rechtssubjekte (z. B. zur Arrondirung fiskalischer
Besitzungen ꝛc.) bestimmt sein, sondern muß einem in der Aufgabe des Staats oder der
Korporation liegenden öffentlichen Interesse dienen. Trifft aber diese Voraussetzung zu,
so ist es gleichgültig, ob das zur Erreichung des Zwecks zu enteignende Objekt innerhalb
oder außerhalb der Gemeindemarkung oder des Korporationsbezirks liegt, wie z. B. bei
öffentlichen Wasserleitungen. Den politischen Gemeinden sind jetzt die Kirchengemein-
den bezüglich der Zulässigkeit der Zwangsenteignung gleichgestellt; d. h. die Kirchen-
und Pfarrgemeinden der drei christlichen Konfessionen, sowie die Kirchengemeinden der
Israeliten, nicht aber die Gesammtkirchen oder einzelne staatlich anerkannte geistliche
Korporationen ꝛc. (V.U. § 30)⁴).
c) Die Abtretung für die genannten Zwecke muß nothwendig sein; hierunter
ist jedoch nicht eine absolute Nothwendigkeit zu verstehen, es genügt vielmehr, daß das
öffentliche Wohl das Unternehmen selbst erfordert ⁵) und daß ein dringendes Bedürfniß
oder überwiegende Zweckmäßigkeit für die gewählte konkrete Ausführung desselben vorliegt.
d) Was die Subjekte betrifft, so kann das Enteignungsrecht sowohl vom Staat
(bezw. dem Reich s. o.) oder der Korporation selbst, als — auf Grund königlicher Ent-
schließung s. u. — durch eine Privatperson oder Privatgesellschaft, unter den Voraus-
setzungen von a—c ausgeübt werden ⁶). Andererseits unterliegen nicht nur die Privat-
personen, sondern auch die Korporationen und der Staat in Beziehung auf ihre Grund-
stücke und Rechte der Zwangsenteignung, der Staat jedoch nur, insoweit diese Objekte
nicht nach der Erklärung des zuständigen Ministeriums (auf Grund vorgängiger Beschluß-
fassung des Staatsministeriums) für allgemeine Staatszwecke erforderlich sind. Letztere
Bestimmung findet auch entsprechende Anwendung auf Grundstücke der Korporationen,
welche dem dienstlichen Gebrauch eines Zweigs der Staatsverwaltung gewidmet sind ⁷).
Eigenthümer verlangen, daß statt der Auferlegung der Beschränkung das Eigenthum von dem Unter-
nehmer erworben werde.
1) Vgl. auch Art. 4 u. 15 a. a. O. u. die früheren Entscheidungen des Geh. Raths v. 17. Nov.
1827 u. 28. Febr. 1885 im A.Bl. d. M. d. Inn. 1885 S. 151.
2) Art. 14, 36, 37² a. a. O. 3) Vgl. auch W. Arch. XXI S. 188.
4) S. Mot. a. a. O. S. 374.
5) Vgl. auch § 1 der preuß. Ent. Ges. u. Sieber a. a. O. S. 132 ff., 148 ff., Grünhut,
S. 82, Rohland, S. 22, Häberlin, S. 160; s. auch Sarwey a. a. O. S. 204 ff.
6) Art. 2² a. a. O. Selbstverständlich ist hierdurch die Zulassung der Zw. E. für ein
Privatunternehmen oder das Unternehmen eines Nachbarstaats durch besondere Gesetze, namentlich
Reichsgesetze (s. v. S. 185) oder Staatsverträge (vgl. z. B. das Landesges. v. 18. April 1843,
Art. 6 und die Staatsverträge zwischen Württemberg und Baden v. 6. Nov. 1860 u. 29. Dez. 1873)
im Sinne des § 30 V. U. nicht ausgeschlossen; vgl. auch Motive a. a. O. S. 374 u. 385.
7) A. a. O. Art. 3. Daß die Enteignung für das Reich, — erfolge diese nun auf Grund
des Art. 41 oder des Art. 65 der R.V. bezw. auf Grund des Rayongesetzes — jeder andern
vorgeht, ergibt sich schon aus Art. 2 der R. V.