194 Sechster Abschnitt: Das Finanzwesen. § 59.
1. Die auf dem gemeinen und dem früheren Partikularrechte beruhenden privatrechtlichen
Privilegien sind durch das Gesetz vom 28. Februar 1873 aufgehoben ¹). Aufrecht erhalten ist nur
das Verbot der Kompensation mit Forderungen an eine andere Fiskalstation, sowie das Recht des
Staates auf den Einzug erbloser Verlassenschaften (a. a. O. Art. 4) ²).
2. Prozessualische Vorrechte:
a) Der Fiskus ist im Verfahren vor dem Reichsgerichte, wie vor den Landesgerichten von
Bezahlung der Gebühren befreit ³);
b) derselbe genießt nach § 54 Nr. 2 der Konk.O. ein Vorzugsrecht für die öffentlichen
Abgaben;
c) soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden, darf die Zwangsvollstreckung wegen Geld-
forderungen gegen den Fiskus erst beginnen, nachdem die Behörde, welche den Schuldner zu ver-
treten berufen ist, hiervon Anzeige erhalten hat und von da an ein Zeitraum von 4 Wochen ver-
flossen ist. Auch sind der Pfändung nicht unterworfen solche Sachen des Fiskus, welche für die
Erfüllung der Zwecke des öffentlichen Dienstes unentbehrlich sind ⁴).
3. Steuerbefreiungen:
a) der Fiskus ist sowohl von den im allgemeinen Sportelgesetze vom 14./16. Juni 1887 als
von den in dem Notariatssportelgesetze bestimmten Sporteln befreit ⁵), wie er selbstverständlich auch
nicht den direkten Staatssteuern unterliegt;
b) in Beziehung auf seinen Gewerbebetrieb (Salinen, Hüttenwerke und Eisenbahnen) ist er
gegenüber den Gemeinden und Amtskörperschaften von der Gewerbesteuer frei ⁶), wie er auch
keine Kapital- und Einkommensteuer an Gemeinden und Amtskörperschaften zu entrichten hat.
Die Vorschriften über den Gerichtsstand des Fiskus und über seine Ver-
tretung in Preozessen gehören dem Civilprozeßrechte an ⁷).
II. Bezüglich der Einnahmen sind zu unterscheiden:
a) Die Erträgnisse aus dem vorhandenen Staatsvermögeng ⁸).
(Der Ertrag des Kammerguts.)
b) Die Einnahmen, welche der Staat nach der Reichsgesetzgebung ⁹) aus
der Reichskasse vom Ertrage der Zölle, der Tabaks- und Branntweinsteuer und
der Reichsstempelabgaben bezieht.
c) Die Steuern und Abgaben, d. h. die unten zu spezifizirenden direkten
und indirekten Steuern, wogegen die Leistungen für die Benutzung der einzelnen Staats-
institute (Post, Telegraph, Eisenbahnen ꝛc.) nach württemberg. Finanzrechte zu den Er-
trägnissen des Kammergutes (a) gerechnet werden.
Steuern dürfen nach § 109 der V. U. nur erhoben werden, soweit der Ertrag des
Kammergutes zur Deckung des Staatsaufwandes nicht zureicht (s. o. S. 83). Hierin wie in
der weiteren Bestimmung, daß in Kriegs- und Friedenszeiten direkte und indirekte Steuern
1) Über das frühere Recht s. Mohl, II S. 739 ff. und die Mot. zu dem im Texte
angef. Ges.
2) Ein privilegirtes Occupationsrecht des Fiskus an herrenlose Sachen und an Schatz kennt
das württemberg. Recht nicht; s. Lang, SachenRecht B. I S. 194 ff. (2. Aufl.); herrenlose Depo-
siten kann der Fiskus nur occupiren, soweit der Staat Depositenbehörde ist oder war.
3) R.G. K. G. § 98 u. württemberg. Sportel G. v. 14./16. Juni 1887 Art. 1.
4) Einf.G. z. C. Pr. O. § 15 Z. 4; württemberg. Ausf.G. Art. 21 und Gaupp, Anhang z.
Komment. zur C. Pr. O. S. 105f.
5) Sportel G. Art. 1.
6) Ges. v. 18. Juni 1849 Art. 9; der Staat zahlt hiernach nur Grund- und Gebäudesteuer
an die Korporationen.
7) S. hierüber das Nähere bei Gaupp, Komm. z. C. Pr. O. B. I S. 48 ff. u. Anh. S. 25.
8) Die Unterscheidung zwischen Verwaltungs= und Finanzvermögen gehört dem Allg.
Staatsr. an; s. Laband in Hirth's Annalen 1873 S. 412 ff. und R. Staatsr. II S. 854f.; über
die Geschichte des württemberg. Kammergutes und dessen Bestandtheile, sowie über seine Erhaltung
als Grundstocksvermögen s. o. S. 81f.
9) Vgl. den Zolltarif v. 15. Juli 1879 § 8, das R.G. v. 1. Juli 1881 § 32 in der Fassung
vom 3. Juni 1995 § 44 und das Branntweinsteuer G. v. 24. Juni 1887 § 39 Abs. 1 u. Laband
a. a. O., .S 879 s.