204 Sechster Abschnitt: Das Finanzwesen. § 64.
bilden für die Mitwirkung der Staatsbehörden bei einer Reihe von Geschäften der freiwilligen
Gerichtsbarkeit (sog. Notariatsgeschäfte), insbesondere bei Obsignationen, Inventuren, Theilungen,
Vermögensübergaben der Eltern an die Kinder, Testamentseröffnungen; Stellung, Revifion und
Abhör der Vormundschaftsrechnungen ꝛc. ¹). Soweit diese Sporteln, was die Regel bildet, nach dem
Vermögen zu bemessen sind, wird dem Ansatz das Aktivvermögen nach seinem gemeinen Werthe
ohne Abzug der Schulden zu Grunde gelegt. Im Uebrigen ist auf das Gesetz zu verweisen.
5. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Diese Steuern werden auf Grund des
Gesetzes vom 24. März 1881 und der Novelle vom 3. April 1885 erhoben ²).
α)Die Erbschaftssteuer wird von dem Erwerbe von Erbschaften, Vermächtnissen und
Schenkungen von Todeswegen entrichtet. Ausgenommen sind die Erwerbungen von Liegenschaften ꝛc.,
welche außerhalb Württemberg sich befinden, ferner das im Inland befindliche, zu einem auswärtigen
Nachlaß gehörige bewegliche Vermögen, es wäre denn, daß der Erwerber ein in Württemberg woh-
nender Württemberger ist. Der Erwerb von Liegenschaften und diesen gleichstehenden Rechten,
welche sich innerhalb Württemberg befinden, ist der Steuer ausnahmslos unterworfen. Für das
bewegliche Vermögen ist entscheidend, ob nach den Regeln der theilungsrichterlichen Zuständig-
keit die Verlassenschaftsabhandlung in Württemberg stattfindet und sich auf dieses Vermögen
erstrect. Befreit von der Steuer sind Vermögensanfälle an: I. Descendenten, II. Ehegatten,
III. Dienstboten und diesen gleichgestellte Personen (bis zum Betrage von 1000 M.), IV. an
das Staatsoberhaupt, den Staat oder das Reich, V. Vermögenszuwendungen zu kirchlichen und
sonstigen gemeinnützigen Zwecken, sofern sie in beweglichem Vermögen bestehen und nicht außer-
halb Deutschlands zur Verwendung gelangen sollen. VI. Anfälle an beweglichem Vermögen über-
haupt, wenn der Gesammtbetrag für eine Person 100 M. nicht übersteigt. Die Steuer darf in
ihrem niedrigsten Satze 2 Prozent vom Werthe des Anfalles nicht übersteigen und wird im Uebrigen
für jede Etatsperiode durch das Finanzgesetz bestimmt. Der niedrigste Prozentsatz (nach dem neuesten
Finanzgesetze die vollen 2% ) findet statt bei Anfällen an Eltern und an voll- und halbbürtige Geschwister;
das 1½ fache dieses Satzes (jetzt 3%) bei Anfällen an Großeltern und entferntere Voreltern, an
Adoptirte, Arrogirte und durch Einkindschaft angenommene Kinder und deren Descendenz, an Stief-
kinder und deren Abkömmlinge sowie an Schwiegerkinder, an Neffen und Nichten; das Doppelte
des ersten Satzes (4%) bei Anfällen an Stief-, Adoptiv- und Schwiegereltern, Oheime, Tanten,
Großneffen und Großnichten; bei Zuwendungen zu kirchlichen oder sonstigen gemeinnützigen Zwecken,
so weit ausnahmsweise die Voraussetzungen der Steuerpflicht nach V. zutreffen; das Dreifache (6%)
bei Anfällen an andere Verwandte des vierten Grades; das Vierfache in allen übrigen Fällen.
β) Die Schenkungssteuer wird erhoben von allen Schenkungen von (innerhalb Württemberg
gelegenen) Immobilien, vom Mobiliarvermögen aber, wenn der Werth des Geschenkten 500 M. über-
steigt. Steuerfreiheit tritt ein in den oben unter α I.—V. aufgeführter Fällen, ferner für Schen-
kungen an Verlobte und für Geschenke, welche anläßlich eines Verlöbnisses oder einer Hochzeit von
den Verlobten, deren Eltern, Geschwistern oder Kindern unter sich gemacht werden. Die Steuer
wird in denselben Abstufungen wie die Erbschaftsteuer (s. o.) erhoben.
Im Uebrigen ist bezüglich des Ansatzes der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Beschwerde,
des Einzugs, der Strafen auf das Gesetz vom 24. März 1881 selbst zu verweisen.
II. Die Staatsausgaben, insbesondere die Staatsschuld.
§ 64. I. Die Staatsausgaben haben, abgesehen von ihrer Aufnahme in den Etat
und von der Rechnungsablegung (s. § 67) eine vorherrschend statistische Bedeutung ³),
1) Nach der neuesten Erhöhung haben dieselben den Charakter einer erheblichen Steuer, welche
zutreffendenfalls neben der Erbschaftssteuer (s. u. 5 α) zu entrichten ist und auch die
Descendenten trifft, da in Württemberg, die Betheiligten gesetzlich genöthigt sind, die in Frage stehen-
den Notariatsgeschäfte durch die Behörde fertigen zu lassen oder doch, wenn sie privatim gefertigt.
werden, sie der Prüfung und Bestätigung der Behörde zu unterwerfen.
2) S. auch die Ausgabe dieses Ges. von Wintterlin, Stuttgart 1881 u. zu der Nov. v
3. Apr. 1885 die M.V. v. 13. Apr. 1885.
3) Dieselben sind unter der Rubrik Staatsbedarf in dem neuesten Fin.G. für 1893/94
auf 67 200 701 , für 1894/95 auf 69 129 462 M. berechnet, dazu kommt, da das württemberg. Budget
ein sog. Nettobudget ist, der bei den Einnahmen in Abzug gebrachte Elementaraufwand , welcher
sich schon 1881/82 auf 33 038 929 M. belief.