Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

8 Erster Abschnitt: Geschichtliche Einleitung. V. § 1. 
Der Eintritt Württembergs in den Rheinbund auf Grund des Pariser Vertrags vom 
12. Juli 1806 brachte dem neuen Königreich weitere Gebietserwerbungen ¹) und die Unterwerfung 
einer Reihe bisher reichsunmittelbarer Fürsten und Grafen unter die Souveränetät Württembergs 
bezüglich ihrer in den Grenzen des Landes eingeschlossenen Besitzungen ²). (Rhein.-B.-Akte Art. 18, 
24, 25.) Unter den Mitgliedern des Rheinbundes nahm das neue Königreich die zweite Stelle — 
nächst Bayern — ein. 
Für seine Theilnahme an dem neuen Kriege gegen Oesterreich (1809) erhielt Württemberg 
zunächst durch einen Tagesbefehl Napoleon's vom 24. April 1809 das früher deutsch-ordensche 
Gebiet Mergentheim, dann theils durch den Wiener Frieden vom 14. Oktober 1809, theils 
durch den Vertrag von Compiegne vom 24. April 1810 und einen Vertrag mit Bayern vom 
18. Mai 1810 weitere bis dahin bayerische Gebietstheile ³). 
Durch diese und durch die früheren Gebietserwerbungen seit 1803 wurde der Umfang des 
Landes um mehr als das Doppelte erweitert ⁴). Das Königreich hatte damit seinen jetzigen Terri- 
torialbestand erhalten, welcher ihm dann sammt der Souveränetät in dem Vertrage von Fulda 
d. d. 2. November 1813 von Seiten Oesterreichs, später auch durch den Pariser Frieden vom 30. Mai 
1814 für die Zukunft gewährleistet wurde. 
Die Entwickelung des öffentlichen Rechts in der Periode des Rheinbundes charakterisirt 
sich durch die schonungslose Veränderung des gesammten historischen Rechtszustandes in den alten 
wie in den neuerworbenen Landestheilen ohne jede Rücksicht auf die in den §§ 27 und 60 des 
R.D. H. Schl. und in Art. 27 und 28 der Rheinbundsakte gegebenen Zusagen, durch die fast gänz- 
liche Beseitigung aller Standesprivilegien, durch die Gleichstellung der drei christlichen Glaubens- 
bekenntnisse sowohl in Beziehung auf die Religionsübung als auf die staats- und gemeindebürger- 
lichen Rechte ⁵), namentlich aber durch den einheitlichen Aufbau des neuen Staatsgebäudes ⁶). Die 
einsichtsvolle und energische Regierung König Friedrich's hat — wenn auch wegen ihrer despotischen 
Willkür von den Zeitgenossen nicht ohne Grund angefeindet — doch überall den Boden für die 
weitere Entwickelung geebnet, und in kürzester Frist eine Reihe von Institutionen geschaffen, welche 
auch für die Folgezeit bestimmend waren. 
V. Mit den Verhandlungen des Wiener Kongresses begann auch der Streit über die Wieder- 
herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes in Württemberg. 
Der Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 hatte festgesetzt, daß die Staaten Deutschlands 
unabhängig und durch ein Föderativband vereinigt sein sollen. Als nun auf dem am 1. Nov. 1814 
zu Wien eröffneten Kongreß ein zwischen Oesterreich, Preußen und Hannover vereinbarter Entwurf 
vorgelegt wurde, in welchem die Einführung landständischer Verfassungen in jedem Bundesstaat vor- 
gesehen war, trat zwar Württemberg unterstützt von Bayern diesem Entwurf entgegen. Da jedoch 
nach der Lage der Verhältnisse — es waren namentlich die zahlreichen Mediatisirten, welche in Wien 
eine Sicherung ihres Rechtszustandes herbeizuführen bestrebt waren — der verfassungslose Zustand 
 
1) Die Herrschaft Wiesensteig, die Reichsstadt Biberach, Waldsee, die Grafschaft Schelklingen, 
die Deutschordenskommenden Kapfenburg und Altshausen und die Abtei Wiblingen. 
2) Nämlich die Hohenlohe'schen Fürstenthümer (mit Ausnahme der in der Markgrafschaft 
Ansbach und im Gebiet von Rothenburg eingeschlossenen), die Besitzungen von Truchseß-Waldburg, 
die Grafschaften Baindt, Egloffs, ferner Gutenzell, Heggbach, Isny, Königsegg-Aulendorf, Ochsenhausen, 
Roth, Schussenried, Weissenau, die Herrschaften Mietingen und Sulmingen, Neuravensburg, Tann- 
heim, Warthausen, Weingarten, Gundelfingen und Neufra, einen Theil der Besitzungen der Fürsten 
von Thurn und Taxis, Theile der Grafschaft Limburg-Gaildorf, einen Theil des früher kurmain- 
zischen Amts Krautheim. 
3) Nämlich die Stadt Ulm, die bayerischen Landgerichte Tettnang, Buchhorn, Wangen, 
Ravensburg, Leutkirch, Söflingen, Geislingen, Alpeck, Elchingen, Krailsheim, sowie Theile der 
bayerischen Landgerichte Nördlingen, Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Rothenburg, Uffenheim, Gerabronn, 
ferner die Hoheit über die in den neuen Grenzen eingeschlossenen Besitzungen von Hohenlohe-Kirch- 
berg, Taxis (Dischingen und Neresheim), Fugger-Kirchberg und Dietenheim, Oettingen-Spielberg 
und Wallerstein; s. d. angef. Verträge im corpus jur. Conf. Germ. v. Meyer u. Zöpfl S. 93ff. 
4) Die Abtretungen Württembergs an Baden durch den Vertrag vom 2. Oktober 1810 er- 
streckten sich auf das Oberamt Stockach mit Radolfzell, das Oberamt Hornberg zum größten Theil, 
das Kloster St. Georgen und auf einzelne Orte der Oberämter Rottweil, Tuttlingen, Ebingen, 
Maulbronn, Brackenheim. An Bayern war nach dem Vertrage vom 18. Mai 1810 das Amt Weil- 
tingen abzutreten. 
5) Relig.-Edikt vom 15. Oktober 1806; nur bei gemischten Ehen sollten die Söhne, falls der 
Vater der evangelischen Konfession zugethan, unbedingt in dieser erzogen werden, während, wenn 
der Vater katholisch, eine abweichende Uebereinkunft gestattet war. 
6) Das Nähere hierüber s. bei Mohl, I S. 22fsf.
	        
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