§ 73. Die Organe der Gemeindeverwaltung. 229
erfordert, daß bei Abfassung desselben mehr als die Hälfte der für die einzelne Gemeinde
festgesetzten Zahl der Mitglieder mit Einrechnung des Vorstands anwesend sind, soweit
nicht für einzelne Fälle eine größere Zahl gesetzlich vorgeschrieben ist.
Zur Verwaltung einzelner Geschäftszweige können in größeren Gemeinden durch
Beschluß beider Gemeindekollegien nach den örtlichen Bedürfnissen Abtheilungen
von wenigstens fünf Mitgliedern (für die Ausübung der streitigen Gemeindejustiz von
nur drei) einschließlich des Vorstands gebildet werden, welche statt des Gemeinderaths
die Geschäfte erledigen ¹).
Die Verhandlungen des Gemeinderaths und der einzelnen Abtheilungen
desselben in Gemeindeangelegenheiten sind öffen tlich, soweit nicht die Oeffentlichkeit
für den Staat, die Gemeinde oder Einzelne nachtheilig sein könnte. Bei Berhandlungen
in gerichtlichen und polizeilichen Angelegenheiten bestimmt sich die Oeffentlichkeit nach den
allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen ²).
Würde ein Gemeinderath oder Bürgerausschuß oder würden beide Kollegien zu-
sammen wegen entgegenstehender Privatinteressen einer solchen Anzahl von Mit-
gliedern, daß die Uebrigen keinen giltigen Beschluß mehr fassen können ³), außer Stande
sein, in einer Sache die Gemeinde zu vertreten, so hat das Oberamt die Rechte und
Pflichten der verhinderten Gemeindekollegien nach vorgängiger Rücksprache mit den nicht-
betheiligten Gemeindebürgern auszuüben ⁴).
Die Vollziehung der Beschlüsse des Gemeinderaths ist Recht und Pflicht des
Ortsvorstehers. Wegen Ungehorsams gegen die von ihm ordnungsmäßig erlassenen An-
ordnungen sowie wegen ungebührlichen Benehmens im mündlichen oder schriftlichen amt-
lichen Verkehre steht dem Gemeinderath eine Ordnungsstrafgewalt in demselben Umfange
wie dem Ortsvorsteher (s. u. S. 235) zu ⁵).
Zur Giltigkeit und Vollziehbarkeit der Beschlüsse des Gemeinderaths ist — zunächst
abgesehen von der erforderlichen Mitwirkung des Bürgerausschusses s. u. — in einer
Reihe gesetzlich besonders bestimmter Fälle ⁶), außerdem aber bei folgenden auf die Ver-
mögensverwaltung der Gemeinde bezüglichen, durch den Art. 15 der Gem Verw. Novelle
von 1891 ⁷) bezeichneten Beschlüssen Genehmigung der Regierungsbehörde
erforderlich:
1. wenn ein Bezirksbeamters ⁸) bei der Sache persönlich betheiligt ist; 2. wenn einem Mit-
glied des Gemeinderaths eine neue oder erhöhte Besoldung, ein Wartgeld oder ein Ruhegehalt ver-
willigt wird, sofern Betrag und Voraussetzung der Verwilligung nicht durch Ortsstatut bestimmt
1) Ges. v. 6. Juli 1849 Art. 17—19; A.G. zu C. Pr. O. Art. 4. Diese Abtheilungen sind
also dem Gemeinderath nicht untergeordnet, wie die hiernach keine Abtheilung bildende Armen-
deputation im Sinne des Art. 10 des Ges. v. 17. April 1873 u. der Ausschuß für Stiftungssachen
nach Art. 46 der G. V. N. — Auf die Verhandlungen in den Abtheilungen finden die für die Ver-
handlungen des Gemeinderaths geltenden Vorschriften (s. o.) Anwendung, namentlich auch bezüglich
des Stimmrechts des Vorsitzenden. Der Gemeindevorsteher hat das Recht, den Verhandlungen jeder
Abtheilung anzuwohnen.
2) Bezüglich der Gemeindegerichte s. Art. 6 Abs. 2 des A.G. zu C. P.O v. 18. Aug. 1879;
in Sachen der nicht streitigen Rechtspflege u. der Polizei ist die Oeffentlichkeit ausgeschlossen.
3) S. hierüber oben.
4) Art. 20 des Ges. v. 6. Juli 1849 vgl. m. Art. 12 ff. des G.A.G.
5) Ges. v. 12. Aug. 1879 Art. 2, 3, 4, 5 u. 11. Hiervon abgesehen steht dem Gemeinde-
rath nach der neuesten Gesetzgebung keine Strafgewalt mehr zu, auch nicht im Disziplinarverfahren
gegen Gemeindebeamte. (Art. 58 der Verw. Nov.)
6) Welche sich vorherrschend auf die Organisation der Gemeinden beziehen, wie die Zahl der
Gemeinderäthe, Ortsstatuten ꝛc. und an den betreffenden Orten erörtert sind.
7) An der Stelle der §§ 65 u. 66 des Verw. Ed. v. 1822.
8) D. h. hier: der aufsichtführende Amtsrichter, der Vorstand des Oberamtes, des Kameral-
u. Bezirkssteueramts und des Forstamts, sowie der Dekan bezw. der Bezirksschulinspektor. Vollz. V. § 11.