234 Siebenter Abschnitt: Die Selbstverwaltung und ihre Organe. I. Die Gemeinden. § 73.
durch den Gutsverwalter, oder einen Bevollmächtigten, bei Minderjährigen auch durch
den Vormund geschehen ¹).
(Zu Nr. 2 u. 3.). Die Mitglieder des Gemeinderathes beziehen als solche keinen Gehalt,
wohl aber die hergebrachten Gebühren für einzelne Verrichtungen ²). An diesen Ge-
bühren haben der Ortsvorsteher, der Rathschreiber und sämmtliche Mitglieder des Gemeinde-
rathes, auch die besoldeten (Nr. 2 b), der Regel nach gleichen Theil. Ist der Schultheiß
oder ein Gemeinderath zugleich Rathschreiber, so erhält er an den Gebühren des Gemeinde-
rathskollegiums in Pfandsachen einen doppelten Theil, ebenso der Rathschreiber, welcher
das Pfandwesen besorgt, oder an dessen Stelle der Pfandhilfsbeamte.
Im Falle der Anstellung eines oder mehrerer besoldeter Gemeinderäthe kann durch
ortsstatutarische Vorschrift bestimmt werden, daß die Gebühren des Gemeiderathskollegiums
ganz oder theilweise in die Gemeindekasse fließen.
B. Der Ortsvorsteher und die anderen Beamten der Gemeinde.
1. Der Ortsvorsteher ist Vorsitzender des Gemeinderaths. Außerdem ist er
Vorsitzender des Waisengerichts und regelmäßig auch der gemeinderäthlichen Abtheilungen,
ferner des Ausschusses in Stiftungssachen ³). In der Ortsarmenbehörde, sowie bei den
Verhandlungen des Gemeinderaths in Stiftungsangelegenheiten theilt er den Vorsitz mit
dem ersten Ortsgeistlichen ⁴), wie er auch in der Ortsschulbehörde (gemeinschaftlich mit
dem Ortsschulaufseher) die Geschäfte leitet ⁵). Soweit die Ausscheidung des kirchlichen
Vermögens noch nicht vollzogen ist, bildet er mit dem ersten Ortsgeistlichen den Vor-
stand des Stiftungsraths und des Kirchenkonvents ⁶). Als Einzelbeamter der Gemeinde,
wie als örtliches Organ der allgemeinen Staatsverwaltung — sei es auf Grund allge-
meiner Normen oder speziellen Auftrags der vorgesetzten Behörde — liegt ihm die ge-
sammte örtliche Verwaltung ob; er hat also namentlich „die öffentliche Ordnung, Ruhe
und Sicherheit zu erhalten, die Ortspolizei im Namen der Gemeinde, die Landespolizei
im Namen und aus beständigem Auftrag der Staatsregierung zu handhaben, die Gesetze
und die auf Grund derselben von den Staatsbehörden getroffenen Anordnungen zu ver-
künden und zu vollziehen, für Aufrechterhaltung der Gesetze, der Religion und guten
Sitten zu sorgen, der Armen und Nothleidenden sich anzunehmen, Hilfsbedürftige zu be-
rathen, gegen Unrecht und Gewalt zu schützen; die Verwaltung des Gemeindevermögens
zu leiten, die Rechner und die übrigen Offizianten zur Erfüllung ihrer Pflichten anzu-
halten, Mißbräuche und Unordnungen aller Art zu verhüten und zur Ruhe zu bringen“ ⁷).
1) Ges. v. 17. Sept. 1853 Art. 1, 8 u. 9; G.A. G. Art. 13 Abs. 1 u. 2. Durch die ange-
führten Bestimmungen sollten die Härten beseitigt werden, welche mit der Ausdehnung des Amts-
und Gemeindeverbandes auf sämmtliche Theile des Staatsgebietes seit 1849 verbunden waren.
2) Art. 15 des Ges. v. 6. Juli 1849. Die Gebühren sind geregelt in den V.O. v. 20. Febr.
1841 u. 5. Dez. 1872, 2. Juni 1875, ferner in der V.O. v. 14. Dez. 1873, und v. 14. Juni 1875,
ferner v. 15. Mai u. 3. Juni 1875 u. v. 27. Sept. 1879; s. auch die Zusammenstellung bei
Zeller-Huzel S. 836 ff. Diese Gebühren, welche namentlich in Sachen der freiwilligen Gerichts-
barkeit nicht unerheblich sind, und in die Tasche der Gemeinderathsmitglieder bezw. Ortsvorsteher
fließen, auch wenn hierfür besondere sog. Hilfsbeamte auf Kosten der Gemeinde angestellt werden
müssen, bilden eine, wenigstens in den größeren Gemeinden nicht unbeträchtliche Einnahmequelle für
die Gemeindebeamten i. w. S.
3) Art. 46 der Gem.Verw.Nov. v. 1891; nur in den Fällen des Abs. 2 dieses Paragraphen
ist er Mitvorsitzender neben dem ersten Ortsgeistlichen.
4) Art. 44 u. 45 a. a. O., Art. 9 u. 10 des württ. A.G. v. 17. April 1873 u. Art. 12
u. 16⁴ des Ges. v. 2. Juli 1889; der Armendeputation gehört er (Art. 10 cit.) nur auf Grund
besonderer Berufung an.
5) Ges. v. 13. Juni 1891.
6) Verw.Ed. §§ 121 ff.
7) So nach § 14 des Verw. Ed. v. 1822; er muß daher stets zugänglich sein; eine Beschrän-
kung des Zutritts der Bezirksangehörigen auf gewisse Amtstage ist nicht zulässig; M. E. vom
19. Jan. 1846.