§ 73. Die Organe der Gemeindeverwaltung. 239
β) Der Pfandhilfsbeamte, welcher in solchen Gemeinden, wo weder der Rath-
schreiber zu selbstständiger Handhabung des Unterpfandswesens befähigt, noch in der Mitte des
Gemeinderaths eine andere hierzu tüchtige oder bereite Person vorhanden ist, die Stelle des
Rathschreibers in Unterpfandssachen zu versehen und dabei eine zählende Stimme in der Unter—
pfandsbehörde hat ¹).
γ) Der Hilfsbeamte für die Führung des Güterbuches, wenn der Rathschreiber die
erforderliche Fähigkeit hierzu nicht besitzt, oder die sonstigen Voraussetzungen nach Art. 2—5 des
Ges. vom 13. April 1873 vorliegen.
Die Hilfsbeamten α—γ werden aus den durch Erstehung der niederen Dienstprüfungen
im Departement der Justiz oder des Innern von Staatswegen für befähigt erklärten Bewerbern
vom Gemeinderathe, jedoch nur mit Vorbehalt des Widerrufs, angestellt und erhalten ihre Be-
lohnung aus der Gemeindekasse; ihre dienstlichen Verhältnisse werden im Uebrigen durch besondere
Verträge geregelt. Zur Uebernahme der Güterbuchsführung (γ) sind die Notare verpflichtet;
(über diese Notare f. u. § 82).
δ) Der Hilfsbeamte für die Verwaltung der Polizei. In Stadt-
gemeinden von mehr als 10000 Einwohnern können dem Ortsvorsteher auf Grund ortsstatutarischer
Bestimmung ein oder mehrere Hilfsbeamte zur Verwaltung der Polizei oder zur Beforgung be-
stimmter polizeilicher Geschäfte beigegeben werden, welche innerhalb ihres Wirkungskreises die dem
Ortsvorsteher zukommenden Befugnisse, mit Ausnahme des Vorsitzes im Gemeinderath oder dessen
Abtheilungen selbständig auszuüben ermächtigt sind. Dieselben müssen, wenn ihnen die Polizei-
Verwaltung im Ganzen übertragen werden soll, die zweite höhere, in den andern Fällen die niedere
Dienstprüfung im Departement der Justiz oder des Innern erstanden haben und die zur Wählbarkeit
für das Amt des Ortsvorstehers erforderlichen Eigenschaften besitzen. Von dem Erforderniß der
Erstehung der höheren Prüfung kann vom Ministerium des Innern dispensirt werden. Wird
einem besoldeten Gemeinderath die Funktion übertragen (s. o.), so kann diesem auch der Vorsitz
in der betreffenden Abtheilung des Gemeinderaths zugewiesen werden. — Die Ernennung erfolgt
nach den für die Wahl der Rechner und Verwalter des Gemeindevermögens (s. o. Lit. b) gelten-
den Bestimmungen ²).
ε) Die an der Stelle des Ortsvorstehers nach Art. 4—7 des Ges. v. 13. Mai 1890 mit
der Besorgung der Geschäfte der Arbeiterversicherung beauftragten Beamten (s. u. § 87).
Sämmtliche Gemeindebeamte und Gemeindediener (mit Ausnahme der Pfandhilfsbeamten
und Güterbuchshilfsbeamten, der besonderen Standesbeamten und der Gerichtsvollzieher, sowie
der Gesundheitsbeamten (s. u.) und der mit der Besorgung der Geschäfte der Arbeiterversicherung
beauftragten Beamten) werden ohne Mitwirkung der Staatsbehörden vom Gemeinderath ernannt
und vom Ortsvorsteher verpflichtet. Die Verpflichtung erfolgt auf Festhaltung der Verfassung und
auf Wahrung der dadurch begründeten Rechte der Gemeinden ³).
C. Der Bürgerausschuß. Durch eine Königl. V.O. vom 7. Juni 1817 wurden
die Bürgerausschüsse als Vertretung der Bürgerschaft gegenüber den damals
noch lebenslänglich angestellten, besoldeten und nicht von den sämmtlichen Gemeindegenossen
gewählten Magistraten eingeführt, in der Folge durch die V. U. (§ 65) sanktionirt und
in dem Verwaltungsedikt von 1822 beibehalten. Ungeachtet der gänzlichen Umgestaltung
der Zusammensetzung der Gemeinderäthe durch die Gesetzgebung seit 1849 ist aber das
Institut des Bürgerausschusses nicht beseitigt worden, so daß jetzt beide Vertretungskörper
auf Grund desselben Stimmrechts der Gemeindebürger neben einander bestehen.
Jede — einfache oder zusammengesetzte — Gemeinde hat hiernach, da der Bürger-
schaft selbst kein unmittelbarer Antheil an der öffentlichen Verwaltung zukommt ⁴), zu ihrer
Vertretung gegenüber dem Gemeinderath ⁵), zur Wahrung ihrer Rechte und
Interessen, namentlich zur Kontrolle der Gemeindeverwaltung, einen beständigen Bürger-
1) Ges. v. 30. Juli 1845 vgl. mit dem Ges. v. 25. April 1828, s. auch Z.-Huzel,
S. 84 f.
2) Verw.Nov. v. 1891 Art. 20 u. 72; Ges. v. 6. Juli 1849 Art. 22. Bezüglich der Dienst-
entlassung sind diese Beamten als ordentliche Gemeindebeamte, also nicht wie die Hilfsbeamten i. e. S.
zu behandeln, es finden also nicht blos die Art. 57—59, sondern auch die Art. 56 u. 61 des Verw.Nov.
auf dieselben Anwendung; s. auch Fleischhauer, S. 213 Note 5.
3) Art. 22 des Ges. v. 6. Juli 1849, V. U. § 69.
4) Eine Ausnahme besteht nur (s. o.) bezüglich der kleineren Theilgemeinden.
5) Also nicht gegenüber der Regierung; s. auch den Zirk. Erl. v. 3. Dez. 1822, bei Fleisch-
hauer Nr. 188.
S. 84