Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

248 Siebenter Abschnitt: Die Selbstverwaltung und ihre Organe. I. Die Gemeinden. § 74. 
bereits rechtlich feststehen, wie Besoldungen, Passivkapitalzinsen ꝛc. dürfen von dem Ge- 
meindepfleger (s. o.) ohne vorgängige Genehmigung des Gemeinderaths geleistet werden. Der 
Ortsvorsteher für sich darf keine Ausgaben auf die Gemeindekasse anweisen. Zur Deckung 
des Aufwandes der Gemeinde dienen folgende Einnahmen: 
1. In erster Linie der Ertrag des eigenen Vermögens der Gemeinde. Dieses 
wird durch den Gemeinderath verwaltet, an dessen Beschluß sowohl der Gemeindepfleger 
als die Theilrechner gebunden sind ¹). Gewisse Beschlüsse sind dem Oberamte zur Genehmi- 
gung vorzulegen (s. o.). Verkäufe, Verpachtungen und sonstige Verträge über den Ertrag 
des Gemeindevermögens sind vom Gemeindepfleger oder Theilrechner durch öffentliches 
Ausgebot in Gegenwart des Ortsvorstehers oder eines Gemeinderaths zum Abschluß zu 
bringen; nur aus besonderen Gründen und mit Einwilligung des Bürgerausschusses kann 
hiervon abgegangen werden ²). Ortsvorsteher, Gemeindepfleger, überhaupt Alle, welche 
einen Verkauf, eine Verpachtung oder eine ähnliche Verhandlung in Gemeindesachen vor- 
nehmen, leiten oder als Urkundspersonen beaufsichtigen, dürfen an derselben in keiner 
Weise, weder unmittelbar noch durch Mittelspersonen, theilnehmen. Zu einem späteren 
Einstehen in einen solchen Vertrag bedürfen sie besonderer Ermächtigung, welche nur aus- 
nahmsweise ertheilt wird ³). — Bei bedeutenden Bauwesen ist ein vom Staat ermächtigter 
Techniker beizuziehen ⁴). Die Bewirthschaftung der Waldungen der Gemeinden, wie 
der Stiftungen und sonstigen öffentlichen Körperschaften ist durch ein besonderes Gesetz 
vom 16. August 1875 geregelt, nach welchem in allen Körperschaftswaldungen die Auf- 
stellung der Wirthschafts- und Betriebsplane, die Ausführung derselben und die technische 
Betriebsführung durch Sachverständige geschehen muß, welche die Befähigung für den 
Staatsforstdienst erlangt haben, sei es nun, daß die Körperschaften besondere Gemeinde- 
förster anstellen, oder sich mit anderen Waldbesitzern zur Anstellung eines gemeinschaft- 
lichen Försters vereinigen. Im Falle des Unterlassens oder des Verzichts auf Anstellung 
eines eigenen Sachverständigen geht die technische Wirthschaftsführung auf mindestens 
10 Jahre auf den Königl. Revierförster über, wofür der Waldeigenthümer jährlich 
80 Pfennige für den Hektar an die Staatskasse zu vergüten hat. Die Aufsicht über die 
technische Bewirthschaftung der Körperschaftswaldungen führen die Forstämter und Ober- 
ämter; über ihnen steht die dem Ministerium des Innern untergeordnete, besonders für 
diesen Zweck gebildete Abtheilung der Forstdirektion für Körperschaftswaldungen, welche 
aus dem Vorstande und drei Mitgliedern der Forstdirektion und drei Mitgliedern aus 
dem Departement des Innern besteht. Die Verrechnung der Einnahmen und Ausgaben bei 
den Körperschaftswaldungen bleibt den Verwaltungsorganen der Gemeinden ꝛc. überlassen. 
2. In zweiter Linie stehen die zufälligen Einnahmen der Gemeindekasse, ins- 
besondere der Ertrag der Bürgeraufnahmegebühren (s. o.), der Schulgelder und 
anderen Leistungen für bestimmte Zwecke ⁵), endlich der Ertrag von Geldstrafen. Die 
vom Ortsvorsteher (bezw. Gemeinderathe) angesetzten Geldstrafen ) wegen Ungehorsam 
1) Verw.Ed. v. 1822 §§ 21, 24. 2) Verw.Ed. 8§ 30, 52. 
3) Das Zuwiderhandeln wird — abgesehen von den civilrechtlichen Folgen — seit Ein- 
führung des R. Str. G. B. nicht mehr kriminell, sondern nur noch disziplinarisch gestraft; vgl. Verf. 
des Justiz M. v. 16. Jan. 1872. 
4) Das Nähere s. bei Z.-Huzel § 185. 
5) Gebühren für spezielle Leistungen der Gemeinden, wie Feldhüterlohn, Marktstandgelder, 
oder für Befreiungen von gewissen Pflichten der Gemeindegenossen, wie Gemeindefrohnen, Feuerlösch- 
thätigkeit ꝛc. ꝛc. , s. hierüber Z.-Huzel, S. 203. 
6) Mit Ausnahme der wegen Schulversäumnissen nach Art. 22 Z. 3 des V. Schul G. v. 1836, 
der wegen Zuwiderhandelns im Feuerlöschwesen nach Art. 21 Z. 3 der Landes F.L.O. v. 7. Juni 
1885, endlich der auf Grund des R. G. über die Inval.- u. Alters Vers. v. 22. Juni 1889 erkannten 
Geldstrafen, welche in den Schulfonds, bezw. die Feuerlöschkasse oder die Kasse der Versicherungs- 
anstalt fallen. 

	        
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