§ 79. Die Gerichtsbarkeit und die oberste Landesjustizverwaltung. 265
bestehend aus vier Mitgliedern des Oberlandesgerichts oder der Landgerichte, einem Gerichts-
notar und einem oder zwei von dem Min. des Innern zu bezeichnenden Verwaltungsbeamten ½.
E. Das Justizministerium begutachtet die schweren Straffälle zum Behufe der
etwaigen Ausübung des Begnadigungsrechts an den König und prüft im Uebrigen
alle Gnadengesuche in Justizsachen ).
F. Dasselbe bereitet die Aenderungen der Landesgesetzgebung für das
Justizfach vor und leitet die hierauf sich beziehenden Arbeiten. Anstände und Anfragen über
die Anwendung der bestehenden Gesetze und Verordnungen werden ihm zur Erörterung und
weiteren Einleitung — soweit es sich um Dienstweisungen des Justizministeriums selbst handelt,
zur unmittelbaren Entscheidung vorgelegt.
G. Demselben liegt nicht nur die Leitung des Rechnungswesens über die dem
Justizdepartement ausgesetzten Etatssummen ob, sondern es steht ihm namentlich auch die
Oberaussicht über das gesammte Kassen= und Rechnungswesen der Gerichte
zu, also insbesondere über die Verwaltung der Depositen, der Inquisitionskosten-Kassen, der
Sportel= und Gerichtsgebühren-Kassen und der Kanzleikosten der Amtsgerichte, Landgerichte
und des Oberlandesgerichts, wobei jedoch gegenüber diesen Gerichten selbst bezüglich der Kassen-
kontrolle eine Konkurrenz der Oberrechnungskammer und — bezüglich des Einzuges der Sporteln
und Gerichtsgebühren — eine solche der Steuerbehörden (des Kameralamts und des Steuerkolle-
giums) eintritt 5).
H. Dem Justizministerium steht die oberste Aufsicht über die Verwaltung der
Strafanstalten zu. Zu diesem Zwecke ist das Strafanstalten -Kollegium,
eine kollegialisch gebildete Landescentralstelle der unmittelbaren Leitung des Justizministers
unterstellt. Diese Behörde ist zusammengesetzt theils aus Mitgliedern des höheren Richterstandes,
theils aus Beamten des Justizministeriums, des Ministeriums des Innern und der Finanzen.
Außerdem sind ihm als außerordentliche Mitglieder beigegeben: zwei Geistliche, ein Arzt, ein
Bauverständiger und ein Fabrikant. Ihr Wirkungskreis besteht in der ökonomischen und poli-
zeilichen Verwaltung sämmtlicher Strafanstalten; auch ist ihr die Sorge für die Einrichtung
und Erhaltung der amtsgerichtlichen Gefängnisse übertragen ).
Die diesem Kollegium untergebenen Strafanstalten sind 5):
u. das Zellengefängniß (Heilbronn) zur Aufnahme männlicher, zu Gefängniß von min-
destens viermonatlicher und höchstens dreijähriger Dauer verurtheilter Strafgefangener, welche zur
Zeit der Begehung der strafbaren Handlung das 18. Lebensjahr vollendet und das 30. noch nicht
zurückgelegt hatten, mit einer besonderen Abtheilung zum Vollzuge der gegen jugendliche Personen
(St.G. B. § 57) männlichen Geschlechts erkannten Gefängnißstrafen von mehr als vier Wochen;
z. ein Zuchthaus (Stuttgart) für die eine lebenslängliche oder eine zeitige Zuchthaus-
strafe von mehr als sieben Jahren verbüßenden männlichen Gefangenen;
J. ein Zuchthaus (Ludwigsburg mit einer Filialstrafanstalt auf Hohenasperg) für die
übrigen Zuchthausgefangenen männlichen Geschlechts;
5. ein Landesgefängnifß (Hall) für die zu Gefängniß von mehr als sechs Wochen
verurtheilten Männer,, wofern ihnen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkanntt sind,
sowie für die nach Art. 3 Abs. 3 des L. Poliz. Str.G. v. 27. Dez. 1871 zu Haftstrafe von mehr
als vier Wochen verurtheilten Männer (s. übrigens #);
e. ein Landesgefängniß (Rottenburg) für die zu mehr als sechswöchiger Gefängniß-
strafe verurtheilten Männer, welche sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, soweit
sie nicht dem Zellengefängniß (#) zugewiesen sind;
c. eine Strafanstalt für weibliche Gefangene (Gotteszell), Zuchthaus und Landes-
gefängniß mit Abtheilung für jugendliche Personen (§ 57 St.G.B.) weiblichen Geschlechts;
N. die Civilfestungsstrafanstalt (Hohenasperg) zum Vollzuge der Festungshaft;
5 Sal. die # v. 25. April 1839 § 7 ff. u. die Königl. V.O. v. 22. Jan. 1869.
. o. S. 74.
3) Vgl. hierüber die Justiz M. Verf. v. 20. Sept. 1879 u. v. 4. März 1883 über das Kassen-
und Rechnungswesen und über das Sportel= und Gebührenwesen bei den Gerichten und dazu die
Justiz M. Verf. v. 25. März 1881 u. 20. März 1882 u. v. 28. Mai 1888 u. v. 20. Febr. 1891;
bezüglich der Dienstkautionen der Kassenbeamten vgl. die königl. V. O. v. 1. Nov. 1882.
4) Vgl. die Königl. V.O. v. 21. Dez. 1824 (R. Bl. 1825 S. 1 f.) und die Bekanntm. v.
22. Juni 1832 u. bezüglich der Unterweisung der Angehörigen des Justizdepartements im Gefäng-
nißdienst: die Min. Verf. v. 31. Juli 1887 (A. Bl. S. 38 ff.).
5) Ueber den Strafvollzug in denselben s. d. M.V. v. 22. Nov. 1890 (R. Bl. 293) u. v.
25. Nov. u. 14. Dez. 1893 (A. Bl. S. 63 u. 67).