8 82. Die Organe für die Verwaltung der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 273
Entscheidungen der Gemeinderäthe, ihrer Ausschüsse und Hilfsbeamten, also namentlich
auch gegen die Entscheidungen der Unterpfandsbehörden ).
Daneben liegt den Amtsgerichten unmittelbar ob: die Führung des Handels-
registers, des Genossenschaftsregisters und des Zeichen= und Musterregisters, die Mit-
wirkung in der Generalversammlung der Aktionäre nach Art. 210 a des H.G. B. 2), sowie
die Erledigung der handelsgerichtlichen Straffälles); außerdem (vgl. auch S. 266 A.)
das Erkenntniß über Adoptionen, Arrogationen, Einkindschaftsverträge und Emanci-
pationen #); die Dispensation von der öffentlichen Vornahme der Theilungsgeschäfte in
bestimmten Fällen 5); die Fürsorge für das gesammte Rechnungswesen der Vormundschaften,
insbesondere für die Stellung, Revision und Abhör der Vormundschaftsrechnungen "); die
Erledigung von Gesuchen um Ausfolge des Vermögens von Verschollenen an deren Erben,
soweit nicht die Civilkammern der Landgerichte bei letzterer mitzuwirken haben?).
C. Die Civilkammern der Landgerichte bilden die Aufsichtsbehörde und Beschwerde-
instanz gegenüber den Amtsgerichten (B8), auch bestellen sie die Revisoren nach Art. 222a.
des H.G.B.2); außerdem haben sie die Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nament-
lich das Inventur-, Theilungs= und Vormundschaftswesen der Standesherren und der in
die Ritterschaftsmatrikel ausgenommenen Gutsbesitzer und ihrer Familien, sowie die Ver-
tragsbestätigungen und Unterpfandssachen bezüglich der sog. exemten Grundstücke, d. h. der
Staats= und Hofdomänen, der immatrikulirten standesherrlichen und ritterschaftlichen
Güter zu besorgen?).
Auch unterliegen die Familienverträge und Statuten der Mitglieder der Ritter-
schaft ihrer Bestätigung, wogegen bei autonomischen Akten der Standesherren nur
eine Prüfung durch die Civilkammer stattfindet, die Genehmigung aber dem Könige zu-
steht 10). Von den Civilkammern wird endlich auch an Personen zwischen dem 14. und
16. Lebensjahre die Dispensation zum Testiren kraft Königl. Delegation ertheilt 1.
D. Der I. Civilsenat des Oberlandesgerichts ist die Aufsichtsbehörde und Beschwerde-
instanz gegenüber den Civilkammern der Landgerichte, auch direkte Beschwerdeinstanz
gegenüber den von den Amtsgerichten bei der Führung des Handels= und Genossenschafts-
registers erkannten Ordnungsstrafen12), sowie gegenüber den amtsgerichtlichen Entscheidungen
über den Ansatz der Erbschafts= und Schenkungssteuer (s. o.). Außerdem liegt ihm die
1) Ausf.G. z. G. V. G. Art. 2.
2) S. auch Baur in Boscher's Z. XXVII S. 234, nur ist nicht richtig, was dort über die
Ordnungsstrafen des Art. 2498 des H.G.B. ausgeführt ist; denn der Art. 19 des A.G. z. C. P.O.
umfaßt auch die Neuredaktion des H.G. B. nach der Novelle v. 18. Juli 1884.
3) Ausf.G. z. C. P.O. Art. 18, 19, H. G. B. Art. 249g, ferner Art. 13—23 des Einf.G. z.
H. G. B., Min. Verf. v. 31. Okt. 1865 u. 18. Jan. 1866; Reichs-Genossenschafts G. v. 1. Mai 1889
§§ 10—14, 26 u. Min. Verf. v. 28. Jan. 1871; Bekanntm. d. Reichskanzl. v. 11. Juli 1889
(R.G. Bl. S. 150) u. J.Min.Verf. v. 14. Sept. 1889; Reichs-Markenschutz G. v. 30. Nov. 1874
§ 1 u. Min, Verf. v. 30. März 1875; MusterschutzG. v. 11. Jan. 1876 § 9, Min. Verf. v.
11. März 1876; nicht aber die Eintragsrolle für Schrift= u. Kunstwerke (Sarwey II S. 339); denn
diese wird bei dem Stadtrath zu Leipzig geführt. (Laband II S. 223 N. 1 u. Baur in Boscher's
vn3. XXVI S. 206.) Ueber das Zeichenregister s. die J. Min.Verf. v. 11. Febr. 1887. S. übrigens
jetzt das R.G. v. 12. Mai 1894 über den Schutz der Waarenbez. insbes. § 24.
4) Not. G. v. 1843 Art. 48, 49, Viertes Ed. v. 1818 § 191 Nr. 3.
5) Not. G. Art. 42.
6) Not. G. Art. 51ff. .
7) Min. Verf. v. 20. Dez. 1822 (R. Bl. S. 914).
8) S. Ring, das R.G. über Kommand. Ges. 2c. 2. Aufl. S. 473.
9) Justiznovelle v. 1822 § 1. Ges. v. 17. Aug. 1849 Art. 6 Abs. 2. Ausf.G. z. G.V.G.
Art. 9 u. Fr. Kappler, das Not.G. v. 1843 8§8 64—66.
10) Adelsstatut v. 1817 § 28. Deklar. v. 8. Dez. 1821 § 15.
11) Vgl. hierüber Kappler a. a. O. 8 64.
12) Ausf.G. z. C. P.O. Art. 198.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 18