286 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltung. II. Die Verwaltg. d. inneren Angelegenheiten. § 86.
Ansprüche von Armenverbänden auf Uebernahme der Unterstützung eines Hilfs-
bedürftigen gegen privatrechtlich hierzu verpflichtete Personen und Ansprüche der Armen-
verbände auf Erstattung bereits verausgabter Unterstützungskosten durch solche Personen
können nur im Civilrechtswege geltend gemacht werden ?#.
Ueber das Verhältniß der Armenverbände zu den Arbeiterversicherungsanstalten s. u.
3. Die Armenpflege selbst. Die Ortsarmenverbände haben die für die örtliche
Armenpflege nöthigen Einrichtungen zu treffen, insbesondere auch für Obdach und Pflege
in Krankheitsfällen zu sorgen. Sie können zu diesem Behufe Verträge abschließen, wonach
die Armen eines Verbandes in den Armenanstalten eines anderen Verbandes unter-
gebracht werden, oder es können sich mehrere Ortsarmenverbände zur Beschaffung gemein-
schaftlicher Einrichtungen vereinigen #.
Die Landarmenverbände sind befugt, die Kosten der Armenpflege für Geistes-
kranke, Blödsinnige, an Epilepsie und ähnlichen Krankheiten leidende Personen, verwahr-
loste Kinder, Taubstumme und Blinde unmittelbar zu übernehmen und zu diesem Be-
huf eigene Anstalten zu errichten. Soweit die den Ortsarmenverbänden durch die Für-
sorge für diese Personen entstehenden Kosten nicht von den Landarmenverbänden un-
mittelbar getragen werden, können sie durch Beschluß der Amtsversammlung auf die
Amtskorporation übernommen werden). Die Landarmenverbände können ferner alle ihrer
Fürsorge anheimfallende Personen den nach dem Reichsgesetz zur vorläufigen Unterstützung
verpflichteten Ortsarmenverbänden gegen Entschädigung zuweisen. Umgekehrt sind die Orts-
armenverbände, welche keine Armenversorgungsanstalten haben, verpflichtet, die bestehenden
Landarmenanstalten auf Verlangen der Landarmenverwaltung gegen Bezahlung der statuten-
mäßigen Beiträge zu benützen, wogegen eine Verpflichtung der Landarmenverbände zur
Aufnahme der sich in ihre Anstalten eignenden Personen — auf Antrag der Ortsarmen-
verbände nur besteht, soweit es der Raum jener Anstalten gestattet 5.
Die Unterstützung des Hilfsbedürftigen und seiner nicht arbeitsfähigen Angehörigen
durch die Armenbehörde kann nach deren Ermessen durch Abgabe der erforderlichen Lebens-
mittel, Kleidung, Holz 2c., ausnahmsweise auch Geld, oder durch Uebernahme von Leistungen
z. B. Hauszins geschehen; sie kann aber auch mittels Unterbringung in einem Armen-
oder Krankenhause gewährt werden. Der Hilfsbedürftige kann jedoch durch Beschluß der
die Unterstützung gewährenden Armenbehörde verpflichtet werden, für die empfangene
Unterstützung Arbeiten innerhalb oder außerhalb einer öffentlichen Armenanstalt zu ver-
richten 0).
Für alle öffentlichen — Orts= oder Landarmen-Anstalten sind Hausordnungen zu
erlassen, durch welche den Vorgesetzten eine Disciplinarstrafgewalt bis zu zwei Tagen
Arrest übertragen werden kann?)8).
4. Ausländer sind, solange ihnen der Aufenthalt im Inlande gestattet ist, bezüg-
1) Ausf.G. v. 1873 Art. 48 u. Nov. v. 12. März 1894 IV (8 30 a).
2) Vgl. auch § 35 des J. u. A.V. G. u. Art. 1 des Württ. Ausf.G. v. 1890.
3) Ausf.G. Art. 20, Instr. § 22.
4) Ausf.G. Art. 21, Nov. v. 1889 Art. 13.
5) Ausf G. Art. 22.
6) Das Verfahren bei Anwendung des Arbeitszwangs ist geregelt in Art. 14 der Nov. v.
2. Juli 1889 u. dadurch der Art. 1 Abs. 2 des Ausf.G. ergänzt.
7) Art. 23 des Ausf.G. u. § 25 der Instruktion.
8) Ueber die Unterbringung verlassener u. verwahrloster Kinder in Rettungsanstalten oder
bei geordneten Familien s. die M. Verf. v. 30. Juli 1839 u. die V.O. v. 17. März 1841, Pol.
Str. G. v. 1871 Art. 12; über die Unterbringung von Waisenkindern in einem Staatswaisenhause
vgl. M.Verf. v. 5. Okt. 1853; üÜber die Aufnahme von armen schwangern Frauenspersonen in die
geburtshülfl. Klinik zu Tübingen die M.Verf. v. 14. Dez. 1881 (R. Bl. 1882 S. 10).