Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

886. Das Armenwesen. 287 
lich der öffentlichen Unterstützung in Württemberg den Deutschen gleich zu behandeln. 
Zur Erstattung der Kosten und zur Uebernahme der hilfsbedürftigen Ausländer ist im 
Falle des § 29 des Reichsgesetzes der Armenverband des Dienstorts, außerdem derjenige 
Landarmenverband verpflichtet, in dessen Bezirk die Hilfsbedürftigkeit hervortritt. Wenn 
jedoch der Ausländer an dem Orte, wo er hilfsbedürftig geworden, falls er ein Deutscher 
wäre, den Unterstützungswohnsitz erworben hätte, so liegt die Pflicht zur Unterstützung 
dem betreffenden Ortsarmenverband ob). 
5. Die Deckung des Aufwands für die öffentliche Armenpflege. Die Kosten 
der Armenunterstützung sind zunächst aus den Armenfonds, Armenstiftungen und Armen- 
gefällen?) zu bestreiten. Stiftungen, welche ausschließlich dem Zwecke der öffentlichen 
Armenunterstützung gewidmet sind, gingen, sofern nicht der Stifter eine besondere Ver- 
waltungsbehörde bestimmt hatte, in die Verwaltung der Ortsarmenbehörde über; die 
Verwaltungen anderer öffentlicher Stiftungen dagegen haben aus dem Ertrag ihres 
Vermögens alljährlich die stiftungsgemäß für die öffentliche Armenunterstützung zu ver- 
wendenden Mittel der Armenbehörde zur Verfügung zu stellen 3). Soweit diese Mittel 
nicht ausreichen, sind die von den Ortsarmenverbänden aufgewendeten Kosten von den 
Gemeinden zu bestreiten. Die von den Landarmenverbänden aufgewendeten Kosten werden 
durch Umlage auf die zum Verband gehörigen Amtskörperschaften aufgebracht“). 
B. Unabhängig von dem reichsgesetzlich geregelten Armenrechte (A) besteht als 
Organ der staatlichen Armenfürsorge, namentlich auch zur Verbindung der öffent- 
lichen und privaten Armenpflege 
1. Die K. Armenkommission, welche nach ihrer Instruktion vom 27. Juni 
1818 in Beziehung auf das Armenwesen in Unterordnung unter das Ministerium des 
Innern die Stellung einer theils berathenden theils vollziehenden Behörde hat. Sie hat 
namentlich über die Beschäftigungs= und Industrieanstalten für Erwachsene und Kinder 
(jedoch mit Ausschluß der staatlichen Arbeitshäuser) die Oberaufsicht zu führen und die 
Befolgung der allgemeinen Vorschriften zu überwachen; als berathende Behörde hat sie 
sich insbesondere der Frage der zweckentsprechenden Beschäftigung der Armen und ihrer Er- 
ziehung zur Arbeit zu widmen. Auch ist ihr die Mitwirkung bei der Staatsaufsicht 
über verwahrloste Gemeinden in der Art übertragen, daß sie Maßregeln zur Verbesserung 
des sittlichen und ökonomischen Zustandes solcher Gemeinden, soweit nöthig, im Einverständ- 
niß mit den Zentralstellen für Landwirthschaft und für Gewerbe zu treffen und zu voll- 
ziehen hat ). Neben dieser Armenkommission und mit ihr in unmittelbarer Verbindung steht 
2. als ein staatlich organisirtes Institut für die Förderung der Privatwohlthätig- 
keit die Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins, welcher sich in Oberamts= und 
Lokalleitungen gliedert. Derselbe sucht neben der Förderung der Wohlthätigkeitsbestrebungen 
von Vereinen und Einzelnen, vorzugsweise auf die bessere Erziehung und Bildung der 
Jugend in den ärmeren Volksklassen einzuwirken und dem Bettel und Müssiggang entgegen- 
zuwirken 2c. Mit ihr steht in Verbindung 
3. die württemb. Sparkasse. Ihre Organisation beruht auf den Grund- 
bestimmungen vom 24. Febr. 1885 (R. Bl. 37) und vom 5. Juli 1888 (R. Bl. 289) . 
Sie soll den ärmeren Volksklassen Gelegenheit verschaffen, ihre Ersparnisse auch in kleinen 
1) Ausf.G. Art. 47. 
2) Ueber die der Armenkasse zugewiesenen Einnahmen an Steuern, Strafen 2c. sf. Z.-Huzel 
a. a. O. 8 1437. 
3) Art. 11 des Ausf.G. 
4) A. a. O. Art. 29, 30; Instr. §§ 16, 30—32; Nov. v. 1889 Art. 9. 
5) Vgl. die Königl. Entschl. v. 24. Mai 1855 u. das Gesetz v. 24. Jan. 1855. 
6) Vgl. auch die M.V. v. 29. Jan. 1892 (R. Bl. 22).
	        
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