Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 3. Umfang und Eintheilung des Staatsgebiets. 17 
Die Behörden eines Bundesstaats können daher auf dem Gebiete des andern keine 
Hoheitsrechte ausüben, selbst wenn es sich um Hoheitsrechte handelt, deren Ausübung für 
das ganze Reich einheitlich geregelt ist ¹). Wohl aber besteht unter den deutschen Bundes- 
staaten eine gegenseitige Verpflichtung zur Rechtshilfe ²) in verschiedenen Abstufungen: 
a) auf dem Gebiete der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit ist das ganze Reichs- 
gebiet für die Rechtshilfe als einheitliches Staatsgebiet aufzufassen, übrigens mit der Be- 
schränkung, daß ein Gericht direkte Amtshandlungen außerhalb seines Bezirks regelmäßig 
nicht vorzunehmen berechtigt, vielmehr zu diesem Behuf ein Ersuchen um Rechtshilfe er- 
forderlich ist ³); 
b) bezüglich derjenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, welche zu 
der Zuständigkeit der besonderen Gerichte gehören ⁴), sind die Vorschriften des D. Rechts- 
hilfegesetzes vom 21. Juni 1869 noch in Geltung ⁵); für Zollkontraventionen insbesondere: 
das Zoll-Kartell vom 11. Mai 1833 Art. 2—6 (Zollvereins-Vertr. vom 8. Juli 1867, 
Art. 3 § 7, R.V. Art. 40, R.G. vom 31. Mai 1872 § 42); 
c) für alle anderen Rechtssachen, also namentlich für Verwaltungsstreitsachen, Dis- 
ciplinarsachen, Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Angelegenheiten der Verwaltung 
einschließlich der Justizverwaltung besteht, soweit nicht Staatsverträge eingreifen (s. unten 
§.57) ⁶), eine allgemeine reichs- oder landesgesetzliche Pflicht zur Gewährung der Rechts- 
hilfe nicht, wohl aber in folgenden Fällen: 
a. gegenüber dem Patentamt, nach dem Patentgesetz v. 7. April 1891 § 32; 
b. gegenüber den Seeämtern bei der Untersuchung von Seenunfällen nach § 20 des 
R.G. v. 27. Juli 1877; 
c. für die Gerichts- und Verwaltungsbehörden in Sachen der Unfalls-, der Alters- 
und Invaliden-Versicherung, nach dem R.G. v. 6. Juli 1884 § 101 und den anderen 
Unfall-Vers.-Ges. sowie dem R.G. v. 22. Juni 1889 § 141; 
d. für die ordentlichen Gerichte gegenüber den Gewerbegerichten nach § 60 des R.G. 
v. 29. Juli 1890; 
e. die deutschen und die österreichisch-ungarischen Gerichte und Behörden sind 
Gebietshoheit selbst — in der ihr zukommenden Sphäre beruht. Ein Ausfluß der Gebietshoheit 
des Staats ist auch das Recht, dem von einem auswärtigen Staate bestellten Konsul das Exequatur 
zu ertheilen, Laband a. a. O. I 179. Ueber die Staatsdienstbarkeiten s. § 57. 
1) S. Fricker, vom Staatsgebiet (Tübingen 1867), G. Meyer, St.R., §74, Seydel, 
B. St. R., I 517, 629, Sarwey, II S. 49 u. Laband, I 173ff. 
2) S. L. Böhm, Handb. d. Rechtshülfe-Verf., II Bde., 1886—1888 u. in v. Stengel's 
Wörterbuch d. V.R. II. Ergänzungs-Bd. S. 177 ff. 
3) G.V. G. §§ 157—169. Ausnahmen finden statt in den beiden Fällen des § 167, sowie 
im Fall des § 168 des G.V.G. Ueber den Vollzug der Freiheitsstrafen insbesondere s. St. Pr.O. 
§§ 163, 164 und bezüglich des Vollzugs von Gesammtstrafen den Beschl. des Bundes R. v. 11. Juni 1885 
(Centralbl. S. 270); s. auch Laband, II 379. 
4) Zu den besonderen Gerichten gehören namentlich auch die Militärgerichte, wogegen für die 
Konsulargerichte und für die Gerichte der Schutzgebiete die Bestimmungen des G.V.G. über die 
Rechtshilfe Anwendung finden (Konsf. G. Ges. § 13); ebenso bezüglich der Prisengerichte nach der V.O. 
v. 15. Febr. 1889, § 29. 
5) S. Laband, 1 385. 
6) Für Württemberg kommen in Betracht: die Vereinbarung mit Bayern vom 3. Jan., 
bezw. 11. Febr. 1873 insbes. §§ 6 u. 7 bezüglich der Rechtshilfe bei Zuwiderhandlungen gegen die 
Steuer- und Abgabengesetze, sowie bezüglich der nicht streitigen Rechtspflege, verb. m. d. Ueberein- 
kommen v. 8. März 1825 u. 7. Juni 1851; gegenüber von Baden die durch Min. Verf. v. 9. Nov. 1872 
verkündete Vereinbarung und das Abkommen v. 18. Mai 1880 (Rechtshilfe in Steuerforderungs- 
sachen, R. Bl. 135), vgl. mit d. Jurisd. V. v. 1825, Art. 23—39; die Vereinbarung mit den Hohen- 
zollern'schen Fürstenthümern vom 31. März u. 10. April 1827 Art. 22—29, vgl. auch Reg.Bl. 
v. 1857, S. 87 u. v. 1858, S. 72 und Rbl. v. 1881 S. 441 und v. 1882 S. 95; s. v. Martitz, 
die Vertr. des K. Württ. (Festgabe 1889) S. 10 ff. 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 2 
 
	        
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