§ 88. Gesundheitspflege und Gesundheitspolizei. 301
der Thätigkeit der Leichenschauer sind die Oberamtsärzte und Ortsvorsteher berufen. Dem
Leichenschauer ist jeder Sterbefall sofort nach dem Tode anzuzeigen. Vor seiner Ankunft
darf keine Veränderung mit der Leiche vorgenommen werden, auch darf — von besonders
geregelten Ausnahmen !) abgesehen — keine Leiche vor Ablauf von mindestens 6 Stunden,
von dem Zeitpunkte des anscheinend eingetretenen Todes an — vom Sterbelager entfernt
werden;
b) in Gemeinden, in welchen öffentliche Leichenhäuser bestehen, kann die
Verbringung der Leichen in das Leichenhaus — in den besonders bezeichneten Fällen 2) —
durch allgemeine ortspolizeiliche Vorschrifi oder durch spezielle polizeiliche Anordnung ver-
fügt werden. Das Ausstellen Leichen in der offenem Sarge vor dem Trauerhause, in der
Kirche oder auf dem Gottesacker ist verboten, die Ausstellung im Hause nur gestattet,
sofern die Polizeibehörde keinen Einspruch 3) erhebt;
c) die Oeffnung (Section) eines Leichnams darf nur von öffentlich ermächtigten
Aerzten und — regelmäßig nicht vor Ablauf von 24 Stunden von Eintritt des Todes
an — vorgenommen werden. Sie ist nur gestattet, wenn eine Legalinspektion voran-
gegangen und hierbei der Tod als unzweifelhaft eingetreten erklärt worden ist oder wenn
der secirende Arzt sich zuvor die sichere Ueberzeugung vom Eintritt des Todes verschafft
hat. Steht die Vornahme einer Legalsection in Frage, so hat die außeramtliche Leichen-
öffnung zu unterbleiben, bis fest steht, daß erstere nicht angeordnet wird 0.
d) Die Bestattung darf?) erst nach Ablauf von 48 Stunden seit dem an-
genommenen Eintritt des Todes vorgenommen werden. Die Ausnahmen sind besonders
geregelt 00. Vor Ablauf von 24 Stunden darf sie — mit Ausnahme der in der Note )
angeführten Fälle — unter keinen Umständen gestattet werden. Ueber die Leichen-
scheine und die Führung des Leichenregisters (. d. angef. V.O. §§ 14, 23, 24.
Die Bestattung erfolgt innerhalb des Landes ausschließlich durch Beerdigung und diese
ist in der angef. V.O. geregelt?). Sie darf nur auf dem öffentlichen Begräbnißplatze
stattfinden. Bestehende Familienbegräbnißstätten außerhalb des letzteren dürfen fort-
benützt werden. Zur Errichtung neuer, überhaupt zur Beerdigung an einem anderen Ort
als dem öffentlichen Begräbnißplatz bedarf es der Erlaubniß der Kreisregierung 5).
Die Beerdigung erfolgte schon bisher regelmäßig auf dem Begräbnißplatze des
Sterbeortes, ohne Rücksicht auf das Eigenthumsperhältniß bezw. die Unterhaltungs-
pflicht am Friedhof und ohne Berücksichtigung der Konfession des Verstorbenen nach
gleichen Grundsätzen und unter ausschließlicher Regelung der Benützung durch die staatliche
Polizei 2). Seit dem Ges. über die Vertretung und die Vermögensverwaltung der Kirchen-
1) S. d. angef. V.O. 8§ 8 u. 9.
2) S. a. a. O. § 13 Z. 2, 4 u. 5 vgl. m. 8§ 9.
3) Z. B. wegen vorgeschrittener Verwesung, ansteckender Krankheit; vgl. hierüber u. über
das Verbot der Leichenbegleitung a. a. O. § 16.
4) A. a. O. § 10.
5) Abgesehen von den Fällen eines nicht natürlichen Todes oder der Aufsindung des Leich-
nams eines Unbekannten.
6) A. a. O. §§ 12 u. 13, so z. B. wenn die Leiche vom Arzt secirt worden, bei ungewöhn-
lichen Fortschritten der Verwesung, ansteckender Krankheit, bei in die Augen fallender Zerstörung
von für das Leben wesentlichen Körpertheilen.
7) Die Verwaltung hat deßhalb bisher die Erlaubniß zur Errichtung von Crematorien
innerhalb Landes versagt, wogegen sie die Verbringung von Leichen in auswärtige Crematorien nicht
beanstandet. In der That dürfte die angef. V. O. der Leichenbestattung nur zur Zeit, d. h. bis zur
Erlassung der allerdings erforderlichen polizeilichen Regelung entgegenstehen. Letztere hängt aber
einzig und allein von der Regierung ab.
8) A. a. O. § 17.
9) Vgl. das Relig. Ed. von 1806 III; die Königl. 3S v. êv.
kt. 1808 betr. die Abstellung
der Friedhöfe innerhalb der Städte u. Dörfer; die Königl. V.O. v.
O
Juni 1818, betr. d. Geschäfts-