304 Achter Abschnitt: Die Vandesverwaltung. II. Die Verwaltg. d. inneren Angelegenheiten. § 89.
In einigen Grenzgebieten sind auf Grund von Staatsverträgen die ausländischen
Aerzte und Wundärzte als solche — ohne inländische Approbation — berechtigt, ihre Berufs-
thätigkeit in gleichem Maß wie in der Heimath auszuüben, und umgekehrt die deutschen
Aerzte im ausländischen Grenzbezirk .
Eine Pflicht zur Leistung ärztlicher Hilfe besteht, wenn der Arzt von der
Polizeibehörde bei Unglücksfällen oder bei gemeiner Gefahr oder Noth zur Hilfe auf-
gefordert wurde 2), oder wenn eine besondere Verpflichtung als Medizinalbeamter oder
Arzt an einer öffentlichen Anstalt übernommen ist ?).
Für den Eintritt in den ärztlichen Staatsdienst oder für die öffent-
liche Anstellung als Gerichtswundarzt bedarf es in Württemberg neben der
Approbation (s. o.) noch der Erstehung einer besonderen Prüfung nach Maßgabe der
Königl. V. O. vom 17. Juli 18764). Diese Prüfung wird vor einer vom Ministerium
des Innern jährlich zu ernennenden Kommission abgelegt. — Eine entsprechende Staats-
prüfung in der Thierarzneikunde für die Befähigung zur Anstellung als ordentlicher Be-
rather von Staatspolizei= und Justizbehörden oder als Oberamtsthierarzt ist eingeführt
durch die M. Bf. vom 1. Juli 1873 (R. Bl. S. 291) und 11. Jan. 1890 (R. Bl. S. 44).
Die Befugnisse derjenigen Personen, welche vor der Einführung der Gew.O. in
Württemberg die Erlaubniß zur Ausübung der Heilkunde erlangt hatten, sind auf Grund
des § 29 der Gew.O. in der M. f. vom 8. April 1872 § 1 (R. Bl. S. 143) geregelt.
Hebammend), d. h. weibliche Personen 5)),, welche gewerbsmäßig solche geburts-
hilfliche Verrichtungen besorgen, welche eine ärztliche Bildung nicht erfordern, bedürfen
zur Ausübung ihres Berufes eines Prüfungszeugnisses der nach den Landesgesetzen zustän-
digen Behörde 7). In Württemberg erfolgt die Prüfung durch die bei der Hebammenschule
(s. u.) bestehende Prüfungskommission) nach den hierüber bestehenden Landesvorschriften.
Das Prüfungszeugniß ist die Vorbedingung für die gewerbsmäßige Hilfeleistung bei Ent-
bindungen; außerdem hat sich die Hebamme vor Beginn ihrer Berufsthätigkeit bei dem
Oberamtsarzt ihres Niederlassungsortes anzumelden. Die Befugnisse der Hebammen be-
schränken sich hiernach — anders als bei den approbirten Aerzten — auf den Staat,
in welchem das Zeugniß ausgestellt worden. Doch werden von den Bundesstaaten die
Hebammen der Grenzbezirke der deutschen Nachbarstaaten zugelassen 3); auch ist auf Grund
der oben N. 1 angeführten Staatsverträge den außerdeutschen Aerzten die Ausübung
ihres Berufs in den deutschen Grenzgebieten, wie umgekehrt, gestattet. —
1) Vgl. die Vertr. mit Holland v. 11. Dez. 1853, mit Luxemburg v. 4. Juni 1883, mit
Belgien v. 7. Febr. 1873, mit Oesterreich v. 30. Sept. 1882, mit der Schweiz v. 29. Febr. 1884;
in den drei letzten Staaten gilt dasselbe auch für die Thierärzte.
2) Str.G.B. § 360 Z. 10 vgl. m. Gew.O. 8 144; über weitere Pflichten s. R.Ehe G. v. 6. Febr.
1875, s. auch Str. G. B. §§ 278, 300, Str. Pr.O. § 255 u. bezüglich der Anzeigepflicht oben S. 297f.
3) Str.G.B. § 222 u. 230.
4) Vgl. auch bezüglich der Prüfung über die Grundsätze der Homöopathie die M.Verf. v.
20. April 1888 u. bezüglich der Vorbildung in der Psychiatrie die M. Verf. vom 15. Mai 1888
(Abl. S. 140 u. 172).
5) S. Gew.O. 8 30 Abs. 2, Vollz.Verf. v. 9. Nov. 1883 § 5, Ges. v. 23. Juli 1836 betr.
die Verbindlichkeiten der Gemeinde bezüglich der Geburtshülfe; M. Verf. v. 19. Dez. 1863 betr. das
Statut der Hebammenschule, M. Verf. v. 6. u. 23. Mai 1884 betr. eine neue Dienstanweisung für
Hebammen (A. Bl. 197. 263).
6) Männer bedürfen also, da die Heilkunde freigegeben ist, zur Ausübung solcher Verrich-
tungen einer Prüfung nicht, andererseits können an sich — nach der Gew.O. § 29 — geprüfte Heb-
ammen auch ohne ärztliche Approbation Funktionen der Heilkunde ohne Beschränkung ausüben, dieses
ist aber in Württemberg den geprüften Hebammen auf Grund ihres besonderen Berufs landes-
neieblen antersagt, soweit es sich um Verrichtungen handelt, welche ärztliche Bildung erfordern
4A. U. . 3 . 1.
7) Vollz.Verf. v. 9. Nov. 1883 § 5, M. Erl. v. 25. Nov. 1884 (A. Bl. 418).
8) B. R.Beschl. v. 5. Mai 1887 u. M.V. v. 19. Aug. 1887 (R. Bl. 325).