§ 90. Die Baupolizei. 311
BauO . selbst, bezw. durch die auf Grund derselben erlassenen Verfügungen und Ortsstatuten
eine Beschränkung festgesetzt ist, dem Eigenthümer eines Grundstückes, abgesehen von
etwaigen privatrechtlichen Beschränkungen das Recht zusteht, innerhalb seiner Eigenthums-
grenzen nach seinem Ermessen zu bauen. Die Errichtung von Ortsbaustatuten
innerhalb der Schranken der BauO. und der absolut gebietenden allgemeinen Regierungs-
anordnungen ist in weitem Umfang theils zur Ausführung einzelner Bestimmungen der
BauO., theils — auf Grund besonderen Vorbehalts im Gesetz — zur Abänderung der-
selben zugelassen ). Die Errichtung solcher Statuten und die Abänderung derselben steht dem
Gemeinderath mit Zustimmung des Bürgerausschusses, in zusammengesetzten Gemeinden nach
Vernehmung der gesetzlichen Vertreter der Theilgemeinden, unter Beiziehung eines geeigneten
Technikers und mit Genehmigung des Ministeriums des Innern zu. Vor der Beschluß-
fassung durch die Gemeindevertretung ist der Entwurf unter Bestimmung einer Frist
für die Geltendmachung von Einwendungen in der vorgeschriebenen Weise zu veröffent-
lichen. In gleicher Weise ist zu verfahren bei der Feststellung neuer und der Abände-
rung bestehender Ortsbaupläne mit Baulinien und Straßenvisiren?).
Unter Bauwesen (Bauten) im Sinne des Gesetzes sind begriffen: alle Arten
von Gebäuden, Kellern, Brunnenschachten, Cisternen, unterirdischen Wegen, Kanälen zur
Ableitung des Wassers und anderer Flüssigkeiten von Gebäuden und Ortsstraßen; Dünger-
stätten und Abtritt-, Jauchen= und ähnliche Gruben; alle Zäune und anderen Einfriedi-
gungen aus Mauern oder geschlossenem Holzwerk oder Metall an öffentlichen Plätzen und
Wegen und zwischen Privatgrundstücken, mag es sich um einen Neubau oder Anbau auf
einer neuen Stelle oder auf altem Grund, oder um einen Umbau, Auf= oder Höherbau,
oder um Reparaturen oder neue Einrichtungen handeln 3).
Im Uebrigen wird unterschieden zwischen solchen Bauten, welche — unter Ein-
haltung der gesetzlichen Vorschriften —ohne Anzeige ausgeführt werden dürfen "), und
solchen Bauten, bei welchen eine Anzeige nothwendig ist), endlich solchen, deren
Ausführung von polizeilichem Erkenntniß abhängt“). In die letztere Kate-
gorie fallen alle Bauten, welche nicht in eine der beiden vorangehenden Klassen fallen.
Das Erkenntniß erfolgt hier nach vorgängiger Untersuchung durch die zuständige Bau-
polizeibehörde. Bezüglich der für den Bau der Ortsstraßen und die einzelnen Bauten
maßgebenden Bestimmungen ist auf den zweiten und dritten Abschnitt der BauO. selbst
zu verweisen?).
Nach Art. 4, 11, 75 dieser Bauordnung, bezw. nach der Königl. V.O. v. 16. Dez. 1872
sind die in Baupolizeisachen zuständigen Stellen:
1. die Gemeindebehörden für die Genehmigung unbedeutender baulicher Verände-
rungen im Innern der Gebäude (Art. 77 Nr. 1a der BauO.), für die Untersagung des Bau-
wesens in solchen Fällen, in welchen nur Anzeige bei der Polizeibehörde, aber keine Genehmigung
erforderlich ist (d. a. O. Art. 78): endlich —jeboch nur unter der Voraussetzung der bleibenden Mit-
wirkung eines geprüften Bauverständigen in der Ortsbauschau — für das Erkenntniß über Neu-
bauten und Bauveränderungen, sofern es sich hierbei nicht um die Herstellung neuer Gebäude an
1) Eine Zusammenstellung der einzelnen Fälle s. bei Z.-Huzel § 1307.
2) S. BauO. Art. 1—5; Vollz. Verf. §§ 1—7.
3) Art. 16 der Bau. O.
4) S. hierüber Art. 76 der BauO.
5) BauO. Art. 77.
6) A. a. O. Art. 78.
7) Der vierte Abschnitt derselben beschäftigt sich ausschließlich mit den nachbarrecht-
lichen Bestimmungen privatrechtlicher Natur. Streitigkeiten über solche Ansprüche gehören aus-
schließlich vor den Civilrichter im Gegensatz zu den nachbarlichen Ansprüchen öffentlich rechtlicher
Natur, welche sich auf den 3. Abschnitt gründen und der Entscheidung der Verwaltungsbehörden u.
Verwaltungsgerichte unterliegen.