895. Die Pflege der Landwirthschaft und der Viehzucht. 337
bringen, im Einzelfall zu ermitteln und festzustellen ist, haben die Einzelstaaten
zu bestimmen. Nur soviel ist — abgesehen von der nicht hierher gehörigen
Entschädigung bei Rinderpest s. o. — reichsgesetzlich vorgeschrieben, daß die Ent—
schädigung bei mit Rotz behafteten Pferden ¾, bei mit Lungenseuche behaftetem
Rindvieh und bei den nach Ausführung einer polizeilich angeordneten Impfung
eingegangenen Thieren /8, sonst aber den vollen gemeinen Werth — ohne Berück-
sichtigung der Werthminderung in Folge der Seuche oder der Impfung — betragen
muß, wobei jedoch die etwa aus Privatverträgen zahlbare Versicherungssumme —
bei Rotz zu drei Viertel, bei Lungenseuche zu vier Fünftel, in allen andern Fällen
zum vollen Betrag — sowie der Werth der nutzbaren Theile des getödteten Thiers
in Anrechnung kommen. Auch ist außer den Fällen, in welchen die Entschädigung
nach dem Reichsgesetz unbedingt hinwegfällt (N.G. 8§ 61), der Landesgesetzgebung
gestattet, in gewissen speziell bestimmten Fällen die Entschädigung zu versagen (R.G.
§ 62). Nach dem Ausf.G. v. 20. März 1881 Art. 2 wird denn auch in Württem-
berg in den Fällen des § 62 des R.G. keine Entschädigung gewährt, im Uebrigen
aber die Entschädigung für die auf polizeiliche Anordnung getödteten oder vor
Ausführung dieser Anordnung an der Seuche gefallenen Einhufer und Rinder aus
den von den Besitzern dieser Thiergattungen zu erhebenden Jahresbeiträgen, für
andere Thiere aus der Staatskasse geleistet. Außerdem wird aber in Württem-
berg für alle an Milzbrand ge fallenen Pferde, Esel und Rinder Ent-
schädigung gewährt, also auch wenn dieselben nicht auf polizeiliche Anordnung
getödtet worden oder doch nicht vor der Ausführung der Anordnung gefallen
sind, oder wenn letztere Voraussetzung des Reichsgesetzes zwar vorliegt, eine Ent-
schädigung aber wegen Zutreffens des § 62 Z. 1 des R.G. (Ausf.G. Art. 2)
nicht zu gewähren ist 1). Ebenso wird für Rindvieh, welches an Maul= und
Klauenseuche gefallen ist, auch wenn die Voraussetzung des § 57 des R.G.
nicht vorliegt, Entschädigung geleistet?), sollte auch neben dieser Seuche noch
eine andere — ihrer Art oder dem Grade nach nicht unheilbare und nicht unbedingt
tödtliche Krankheit an dem Thiere vorhanden sein.
In diesen landesrechtlichen Entschädigungsfällen (Milzbrand und Klauenseuche)
beträgt jedoch die Entschädigung nur vier Fünftel des nach § 59 S. 1 des R.G. berech-
neten Werths; dagegen werden auch die aus Privatverträgen zahlbaren Versicherungs-
summen nur zu vier Fünftel auf die Entschädigung angerechnet.
Die zur Bezahlung der Entschädigungen erforderlichen Beträge werden ganz in derselben
Weise aufgebracht, wie bei den reichsgesetzlichen Entschädigungsfällen 3). Dieselben werden
nämlich nach Maßgabe des im Lande vorhandenen Bestands an Einhufern einerseits und an
Rindvieh andererseits derart erhoben, daß die Entschädigung für rotzkranke Pferde rc. den
sämmtlichen Besitzern dieser Gattung, die Entschädigung für lungenseuchekrankes Rindvieh
aber den sämmtlichen Rindviehbesitzern auferlegt wird. Ebenso sind die aus anderem Grund
zu leistenden Entschädigungen von den Besitzern der in jedem einzelnen Fall in Frage kom-
menden Gattung (also bei Milzbrand von den Besitzern von Einhufern und Rindern, bei
der Klauenseuche nur von den Rindviehbesitzern) aufzubringen. Die Aufnahme des Vieh-
1) W. G. v. 7. Juni 1885 u. Vollz. V. v. 25. Juni 1885. Die Ausnahmefälle, in welchen
diese landesrechtliche Entschädigung nicht gewährt wird, enthält der Art. 4 Z. 1—8 des angef. Ges.
2) W.G. v. 31. Mai 1893 u. Vollz. V. v. 5. Juni 1893; die Ausnahme von dieser Ent-
schädigungspflicht enthält der Art. 4 Z. 1—7 des angef. Ges.
3) Val. Art. 3—6 des Ausf.G. v. 20. März 1881, Art. 1 Abs. 3 des Ges. v. 7. Juni 1885,
Ges. v. 31. Mai 1893 Art. 1.
Handbuch des Oeffentlichen Rechis III. 2. Aufl. Württemberg. 22