Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

§ 95. Die Pflege der Landwirthschaft und der Viehzucht. 339 
R.G. v. 3. Juli 1883 zu treffenden Anordnungen vom Ministerium des Innern 
erlassen. — Ueber den Anspruch auf Entschädigung s. o. S. 192. 
B. Die organischen Einrichtungen für die Pflege der Landwirthschaft. Als oberste 
Behörde für die Pflege der Landwirthschaft und die Vertretung ihrer Interessen ist die 
Centralstelle für die Landwirthschaft eingesetzt. Ihre gegenwärtige Organisation 
beruht auf der Verfügung der Ministerien des Innern und des Kirchen= und Schulwesens 
v. 1. Juli 1886. Sie hat wie die Centralstelle für Gewerbe und Handel eine eigen- 
thümliche Doppelstellung, insofern ihr Geschäftskreis als Staatsbehörde in Unterordnung 
unter das Ministerium des Innern die staatlichen Borkehrungen zur Förderung der Land- 
wirthschaft und der landwirthschaftlichen Gewerbe im Allgemeinen und in Unterordnung 
unter das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens die Leitung und Ueberwachung der 
ihr unterstellten landwirthschaftlichen Lehranstalten umfaßt, während sie andererseits die 
Gesammtvertretung des landwirthschaftlichen Vereins des Landes, m. a. W. einer Anzahl 
selbständiger, der Vertretung der Interessen der Landwirthschaft gewidmeten lokalen Ver- 
bände bildet. 
In ersterer Eigenschaft — als Staatsbehörde — berathet die Centralstelle die 
Regierung in Absicht auf die Landwirthschaft und die landwirthschaftlichen Handels-, 
Verkehrs= und Zollverhältnisse; hat die Fürsorge für das landwirthschaftliche Meliorations- 
wesen, sowie die Oberleitung der Feldbereinigung (s. o.); sorgt für Verbreitung land- 
wirthschaftlicher Kenntnisse, Vervollkommnung des Betriebes, Beförderung des Absatzes 
der Produkte und für landwirthschaftliche Ausstellungen und verwaltet die für die Förde- 
rung der Landwirthschaft bestimmten Staatsgelder und die ihr besonders zugewiesenen 
landwirthschaftlichen Stiftungen; auch wirkt sie mit bei dem Vollzug des Farrenhaltungs- 
gesetzes (s. o.) und beaufsichtigt und leitet die Lehrwerkstätten für Hufschmiede (s. o.). 
Sie leitet und überwacht ferner als Schulaufsichtsbehörde die drei Ackerbauschulen und 
die Weinbauschule sowie die mit diesen Anstalten verbundenen Gutswirthschaften, beauf- 
sichtigt endlich die landwirthschaftlichen Winterschulen und das landwirthschaftliche Fort- 
bildungswesen. 
In ihrer Eigenschaft als Vertretung des landwirthschaftlichen Vereins 
dagegen liegt ihr ob: die Vereine zur zweckentsprechenden Thätigkeit anzuregen, gemein- 
same Bestrebungen derselben zu vermitteln, Wünsche und Anträge in Absicht auf land- 
wirthschaftliche Einrichtungen zu berathen und den betreffenden Behörden mitzutheilen, sowie 
den Vereinen in Verfolgung ihrer Interessen nach Kräften ihre Unterstützung angedeihen 
zu lassen. 
Mit Rücksicht auf diese Doppelstellung besteht die Centralstelle: 
1. aus den vom König ernannten Mitgliedern, nänmlich neben dem Vorstande 
aus administrativen und technischen Beamten, aus dem jeweiligen Direktor des land- 
wirthschaftlichen Instituts Hohenheim und aus den vom Könige berufenen außerordentlichen 
Mitgliedern; 
2. aus den von jedem der (12) Gauverbände des landwirthschaftlichen Vereins 
gewählten Beiräthen!?#). 
Das Ministerium des Innern kann daneben der Centralstelle zu den Berathungen ein- 
zelner Gegenstände wissenschaftlich oder praktisch besonders vertraute Personen mit berathen- 
der Stimme beigeben. 
  
1) Das Amt der Beiräthe ist ein Ehrenamt; dieselben erhalten jedoch Reisekostenentschädi- 
gung aus den Etatsmitteln der Centralstelle (uvgl. die M. V. v. 4. Aug. 1877: Entschädigung täg- 
lich 10 M., daneben Ersatz der Eisenbahntagxe II. Klasse bezw. Posttaxe). 
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