899. Die Pflege von Gewerbe und Handel. 351
ihnen durch die Reichsgesetzgebung (Gew.O. § 139) zugewiesenen Aufgaben, in Württem—
berg noch weiter a) Gutachten abzugeben über Gegenstände aus ihrem Wirkungskreis,
b) die Aufsicht darüber zu führen, ob die bei der Genehmigung von gewerblichen An-
lagen im Sinne der 8§ 16 und 24 der Gew.. vorgeschriebenen Bedingungen eingehalten
werden; c) mitzuwirken an der Aufsicht über die Ausführung der §8 107— 1195 der
Gew.O. und die Wirksamkeit der Ortspolizeibehörden hierbei zu kontrolliren; namentlich
aber liegt ihnen d) die Begutachtung und Beaufsichtigung der Dampfkesselanlagen nach
den hierfür bestehenden Vorschriften ob 7.
Für die nach Art. 178 des württ. BergG. vom 7. Okt. 1874 unter der Aufsicht
der Bergbehörden stehenden Anlagen hat der Vorstand des Bergamts die Funktionen
des Gewerbeinspektors wahrzunehmen.
Der Vorstand der Centralstelle hat im Gesammtkollegium, wie im Ver-
waltungsausschuß nur bei Stimmengleichheit eine Stimme. In Fällen jedoch, in welchen
nach seiner Ueberzeugung ein Beschluß den Gesetzen oder Verordnungen entgegensteht
oder wo er von der Vollziehung Nachtheile befürchtet, ist er befugt und verpflichtet,
unter Bemerkung im Protokoll die Entscheidung des Ministeriums des Innern einzu-
holen. Auch ist bei den Beschlüssen des Gesammtkollegiums stets das Stimmenverhältniß
der Beiräthe einerseits und der K.Mitglieder andererseits im Protokoll anzuführen.
Außerdem kann der Departementschef nach seinem Ermessen den Berathungen anwohnen,
auch zu denselben einzelne mit dem Gegenstande besonders vertraute Beamte abordnen.
Ueber die Beiordnung eines ständigen Kommissärs s. o. S. 3502.
Als Hilfsmittel für die technische Wirksamkeit der Centralstelle dienen a) das
Landesgewerbemuseum, eine Sammlung von Gewerbeerzeugnissen des Auslands und
anderer Hilfsmittel, welche der Industrie des Landes zur Belehrung, Anregung und Nach-
ahmung dienen können. Die Gegenstände dieses Museums werden den Gewerbetreibenden des
Landes zur Nachahmung lehnungsweise ausgefolgt „); b) die Bibliothek, die Vorbilder-
sammlung und das Journalistikum;zc) die Lehrmittelsammlung, die Samm-
lung der GWypsabgüsse und die Modellirwerkstätte; c) das chemische Labo-
ratorium für technisch-chemische Analysen und Berathungen; e) das wöchentlich erscheinende
Gewerbeblatt, zur Mittheilung der Fortschritte der Industrie des In= und Auslands
in technischer und ökonomischer Beziehung.
2. Die acht Handels-- und Gewerbekammern sind als gesetzliche Organe des
Handels= und Gewerbestands in formeller Unterordnung unter die Centralstelle auf
Grund des Gesetzes vom 4. Juli 1874 eingesetzt mit der Bestimmung, die Gesammt-
interessen der Handels= und Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, insbesondere
die Wünsche und Bedürfnisse von Gewerbe und Handel gegenüber den Regierungsbehörden
zu vermitteln. Zu diesem Zwecke haben sie dem Ministerium alljährlich über den
Zustand der Industrie und des Handels ihres Bezirks, über wünschenswerthe Ver-
besserungen 2c. Bericht zu erstatten und der Staatsbehörde auf Verlangen über Gegen-
stände der Gewerbe und des Handels, sowie des öffentlichen Verkehrs Gutachten abzu-
geben. Auch ist denselben nicht nur die Anbringung von Wünschen und Anträgen bei
den zuständigen Landesbehörden, sondern auch die Einreichung von Petitionen an Reichs-
in Stuttgart; s. das Nähere in der V.O. v. 16. Mai 1892 (R.Bl. S. 143), der M.V. v. 11. Juni
1892 (A. Bl. S. 181) und der M.V. v. 3. Nov. 1893 (R. Bl. S. 297).
1) S. d. angef. V.O. § 3 und bezüglich der Dampfkesselanlagen insbesondere § 24 der Gew.O.
und die Bekanntm. des Reichskanzlers v. 5. Aug. 1890; M.V. B v. 14. Dez. 1871 u. M.V. vom
28. Juli 1887, Min. Erl. v. 16. Juli 1889 (R. Bl.), M. V. v. 9 Sept. 1889 (A. Bl. S. 232), M.V. v.
16. Dez. 1889 (A. Bl. S. 311), v. 4. Nov. 1890 (A.Bl. S. 329), v. 23. Nov. 1891 (A Bl. S. 317),
v. 18. Febr. 1892 (A. Bl. S. 49) u. v. 11. Juni 1892 § 17 (A.Bl. S. 188).
2) S. d. Verf. v. 15. April 1875 8§ 3, 4, 5.
3) S. das Statut v. 29. Dez. 1886 (A. Bl. 1887 S. 78 ff.).