352 Atchter Abschnitt: Die Landesverwaltung. II. Die Verwaltg. d. inneren Angelegenheiten. §8 100.
organe gestattet, nur haben sie gleichzeitig der Centralstelle Abschrift mitzutheilen 7.
Außerdem sind diese Kammern im Sinne des R.G.V.G. 8 112 und des württ. A.G.
Art. 21, sowie des R.G. betr. die Komm.Ges. auf Aktien 2c. vom 18. Juli 1884, 8 209,
Abs. 1 S. 2 für die Vorschläge zur Ernennung der Handelsrichter, sowie zur Bestel-
lung von Revisoren behufs Prüfung des Hergangs bei der Gründung gewisser Aktiengesell-
schaften das für die Vertretung des Handelsstands berufene Organ?). — Ueber die
Wall der Beiräthe der Centralstelle durch die Kammern s. o. Das Amt ist ein Ehren-
amt, eine Pflicht zur Uebernahme besteht nicht, die Dienstleistung ist unentgeltlich; nur
für Reisen wird Entschädigung gewährt. Die Mitglieder werden von den Handels= und
Gewerbetreibenden — ohne Unterscheidung beider Stände — gewählt.
Wahlberechtigt sind hierbei alle, welche als Inhaber einer mit Gewerbesteuer belegten
Firma in den Handelsregistern des Bezirks eingetragen, oder, soweit dies nicht der Fall
ist, in dem Kammerbezirk zur Gewerbesteuer veranlagt sind und ihre Aufnahme in die Wähler-
liste vor der Wahl rechtzeitig angemeldet haben, sofern nicht der Konkurs gegen eine solche
Person eröffnet und noch nicht aufgehoben ist oder sie ihre Zahlungen eingestellt hat.
Wählbar sind dieselben Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr zurückgelegt und im Kammer-
bezirk ihren Wohnsitz haben, außerdem unter denselben Voraussetzungen auch Diejenigen,
welche früher in einem Handelsregister des Bezirks eingetragen oder doch früher in Folge eines
Handels= ober Gewerbebetriebs in die Wählerliste aufgenommen waren. Die Wahlhandlung
ist öffentlich, die Abstimmung geheim. Die Mitglieder, deren Zahl für jeden Kammerbezirk
durch die Staatsregierung bestimmt wird, versehen ihre Stelle sechs Jahre; je nach drei
Jahren tritt die Hälfte aus und wird durch Neuwahlen ersetzt?).
Die Kammern verwalten ihr Kassen= und Rechnungswesen und beschließen über
den zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Kostenaufwand selbständig. Alljährlich
haben sie ihren Einnahme= und Ausgabe-Etat aufzustellen und der Centralstelle vorzu-
legen. Die Kosten werden auf die Wahlberechtigten des Bezirks nach dem Fuße der von
ihnen zu entrichtenden Staatsgewerbesteuer umgelegt und als Zuschlag zu dieser durch die
Steuereinbringer erhoben. Nur wenn der erforderliche Zuschlag 5% der Gewerbesteuer
übersteigt, bedarf es einer vorgängigen Genehmigung des Ministeriums des Innern,
welches in diesem Falle die Gesammtsumme der etatsmäßigen Kosten soweit herabsetzen
kann, daß der erforderliche Zuschlag zur Gewerbesteuer nicht mehr als 5% beträgt.
3. Die auf Grund des R.G. v. 29. Juli 1890 in einer Anzahl von Städten
eingerichteten Gewerbegerichte stehen unter der dienstlichen Aufsicht der Landgerichte?)
(s. o. S. 270).
§ 100. IV. Die Sittenpolizei ). Die Thätigkeit der Sittenpolizei besteht nicht
sowohl in der Förderung und Pflege der Sittlichkeit durch Einwirkung der staatlichen
und körperschaftlichen Organe, als vielmehr in der Abwehr und Bestrafung von Hand-
lungen, welche die Sittlichkeit verletzen oder doch dieselbe zu gefährden geeignet sind.
Die Grundlage aller hierauf bezüglichen Normen bildet das Str.G.B., theilweise auch
die Gew.O. Es gehören hierher namentlich
1. in Beziehung auf geschlechtliche Verhältnisse die Bestimmungen des
Str. G. B. (§ 180) über gewerbsmäßige Kuppelei einschließlich der Bordellwirthschaft, des
8 181 über erschwerte Kuppelei u. des § 182 über die Verführung unbescholtener Mäd-
chen unter 16 Jahren, des § 183 über die Erregung öffentlichen Aergernisses durch
1) Ges. v. 4. Juli 1874 Art. 1, Verf. v. 15. April 1875 § 2.
2) S. auch Baur in Boscher's Zeitschr. B. 27 S. 231.
3) S. auch das Ges. v. 1874 Art. 4—19 und die M.V. v. 12. Nov. 1874 u. Boscher's 3.
B. 28 S. 368f.
4) S. im Uebrigen das angef. Ges. Art. 20—30.
5) Vgl. das württemberg. Ges. v. 14. April 1893 u. die M.V. v. 3. Nov. 1893 (Just. M. Bl.
S. 57 ff.) u. Gaupp, Anh. z. C.P.O. S. 34 N. 3.
6) Vgl. O. Mayer im Wörterb. d. d. Verw.R. II S. 255 G. Meyer, V.R. I S. 251ff.