§ 100. Die Sittenpolizei. 353
unzüchtige Handlungen, des § 184 über Verbreitung unsittlicher Schriften, Abbildungen
oder Darstellungen 2c., des § 361 Z. 6 über die Bestrafung gewerbsmäßiger Unzucht 1.
Außerdem sind in Württemberg nach Art. 14 des P. Str. G. v. 1871 wegen Konkubi-
nats — im Falle der Erregung öffentlichen Aergernisses — mit Strafe bedroht Personen,
welche in fortgesetzter außerehelicher Geschlechtsgemeinschaft zusammenleben .
2. Die Bekämpfung der Trunksucht. Hierher gehören zunächst die Be-
stimmungen der D. Gewerbeordnung (8§ 33, 42· Abs. 3, 53, 56 Abs. 5, 56= Z. 3, 57,
§ 60 Abs. 13) über die Voraussetzungen für die Ertheilung von Wirthschaftskonzessio-
nen (Gastwirthschaft, Schankwirthschaft, Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus) ?),
über die Ausübung der Wirthschaftskonzessionen und deren Ueberwachung ), über den
Ankauf und das Feilbieten von geistigen Getränken auf öffentlichen Straßen und Plätzen,
sowie im Umherziehen").
Im Anschluß an die Bestimmungen des Str.G. B. § 365 ist ferner in Württem-
berg die Polizeistunde, d. h. der Endpunkt des polizeilich gestatteten Wirthschafts-
besuchs auf 11 Uhr Nachts festgestellt'). Die Ortspolizeibehörden sind jedoch befugt, in
einzelnen Fällen die Zeit des erlaubten Wirthschaftsbesuchs für alle oder für einzelne
Wirthshäuser und öffentliche Vergnügungsorte ihrer Gemeinde zu verlängern. Auch
können auf Ansuchen der Gemeinderäthe die Oberämter die Polizeistunde in stets wider-
ruflicher Weise dauernd verlängern oder ganz aufheben, wenn ein zur Aufrechterhal-
tung der öffentlichen Ruhe genügendes Polizeipersonal angestellt ist. — Der Wirth darf
das Verweilen der Gäste über die Polizeistunde hinaus nicht dulden und hat nöthigen-
falls die ihm zu Gebot stehenden Mittel zur Entfernung der Gäste anzuwenden).
Ueber die Bestrafung der Trunksucht selbst s. Str. G. B. § 361 Z. 5.
3. Aufsicht über Tanzbelustigungen. Abgesehen von der Bestimmung
des § 35 der Gew.O. über die Befugniß der Behörde, die gewerbsmäßige Ertheilung von
Tanzunterricht wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu untersagen, enthalten die
R. Gess. keine Beschränkung. Dagegen bedürfen Wirthe, wenn sie öffentliche Tanzunterhal-
tungen veranstalten wollen, in Württemberg hierzu einer Erlaubniß der Ortspolizeibehörde .
Zu allen öffentlichen Tanzunterhaltungen an Sonn= und Festtagen sowie an den Werk-
tagen der Advents= und Fastenzeit bedarf es dagegen der Erlaubniß des Oberamtes und
zwar auch für gesellige Vereine und geschlossene Gesellschaften, sofern sie in Räumen
1) S. Olshausen zu diesen Paragraphen.
2) S. Schicker's P. Str. R. S. 28 ff.
3) MWürttemberg. Vollz. V. v. 9. Nov. 1883 88§ 8—19, 33, 52, 54.
4) Vgl. über diese Begriffe Appelius zu § 33 der Gew.O.; die Schankwirthschaft umfaßt
hiernach auch den Ausschank nichtgeistiger Getränke. Unter dem an sich thatsächlichen Begriff des
Kleinhandels wird in Württemberg nach § 8 der Vollz. V. zur Gew.O. der Verkauf in Quantitäten
unter 20 Litern bei Wein, Obstmost oder Bier und unter 2 Liter bei Branntwein verstanden. Dem
Apotheker ist der Handel mit Spiritus und Branntwein zu medizinischen Zwecken ohne Konzession
gestattet. — Nicht als Wirthschaftsbetrieb ist zu behandeln a) der Ausschank des Weins
durch den Produzenten selbst, wenn er im Laufe des ersten Jahres erfolgt und nicht länger
als ein Vierteljahr ununterbrochen oder mit besonderer oberamtlicher Erlaubniß ein halbes Jahr
fortgesetzt wird; b) der Ausschank von Getränken an Militärpersonen, innerhalb der Kasernen,
Lagerplätze 2c. durch die von der Militärbehörde ermächtigten Personen; c) der gemeinsame Bezug von
Getränken durch Gefellschaften; d) der Verkauf von Getränken über die Straße, ausgenommen der
Kleinhandel mit Branntwein; e) Speiseanstalten ohne Getränkeschank, Vollz. V. 8 11.
5) Vollz. V. § 18.
6) Gew.O. § 56 a Z. 3, 60 Abs. 1, Vollz. V. 8§ 19 u. 70.
7) M. V. v. 2. Dez. 1871 (R. Bl. S. 302); ausgenommen von dem Gebot sind die Eisenbahn-
restaurationslokale, sofern sie nur Reisenden dienen, und die Lokale geschlossener Gesellschaften, ferner
die Reisenden in den Gasthäusern, wo sie übernachten.
7) Vgl. im Uebrigen Olshausen zu § 365 des Str. G. B. u. Schicker 2c. S. 138.
9) Val. Art. 17 des Pol. Str. G. u. Schicker S. 32ff.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 23