368 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltg. III. Die Verwaltg. d. Kirchen= u. Schulwesens. § 105.
kollegialischen Beschlußnahme unterliegen alle die Universität und die akademischen Studien
im Allgemeinen betreffenden Angelegenheiten; die Vorschläge zur Besetzung der Stellen
bei der Universität; die Entwerfung des Etats der Universität und ihrer einzelnen In-
stitute; die Rekurse der Studirenden gegen Straferkenntnisse der Disziplinarkommission.
Die Zahl der Fakultäten ist dermalen sieben 1). Jede Fakultät besteht aus den
ordentlichen und aus den vom Könige zu Mitgliedern ernannten außerordentlichen Pro-
fessoren unter dem Vorsitze eines nach einer bestimmten Reihenfolge jährlich wechselnden
Dekans aus der Zahl der ordentlichen Professoren.
Die akademische Disziplin wird in den leichteren Fällen vom Rektor gehand-
habt, dessen Strafgewalt sich auf achttägige Inkarzeration und auf Geldbuße bis zu 15 Mark
erstreckt?). Zur Abrügung der bedeutenderen Verfehlungen der Studirenden ist eine unter dem
Vorsitze des Rektors aus sieben ordentlichen Professoren (einem aus jeder Fakultät) und dem
Universitätsamtmannn bestehende Disziplinarkommission berufen. Diese kann Ge-
fängniß (Karzer) bis zur Dauer von höchstens vier Wochen mit der Unterschrift des consilium
abeundi oder mit wirklicher Entfernung von der Universität von 6 Monaten bis zu 2 Jahren
verhängen. Eine länger dauernde Wegweisung kann nur von dem Senate nach vorgängigem
Gutachten der Disziplinarkommission und bei einer Dauer über 4 Jahre nur mit Genehmigung
des Kultusministeriums verfügt werden 7).
Von der Disziplinarkommission geht der Rekurs an den Senat, gegen eine vom Senat in
erster Instanz ausgesprochene Wegweisung aber an das Kultministerium und wenn das Urtheil
vorher der Genehmigung des letzteren unterstellt worden war — seit dem Ges. v. 16. Dez. 1876,
Art. 73 — an den Verwaltungsgerichtshof#).
Für die ökonomische Verwaltung der Universität und ihrer Institute 5) besteht
ein unter dem Vorsitze des Rektors aus sieben Professoren von sämmtlichen Fakultäten, dem
Universitätsamtmann und dem Kassier (letzterer ohne Stimmrecht) zusammengesetzter Ver-
waltungsausschusß.
Als Geschäftsmann ist dem Rektor und den übrigen akademischen Behörden der Uni-
versitätsamtmann beigegeben, welcher auf Vorschlag des Senats vom Könige ernannt
wird. Derselbe ist für alle Rechts-, Disziplinar= und Verwaltungssachen der Referent der vorhin
genannten drei akademischen Kollegien, führt die Untersuchungen in Disziplinarsachen und hat
das Schuldenwesen der Studirenden, soweit solches nach dem Gesetze v. 11. Sept. 1865 (M.f.
v. 12. Okt. 1865) noch der disziplinären Behandlung unterliegt, zu besorgen .
2. Die technische Hochschule zu Stuttgart. Diese erhielt ihre gegenwärtige Organisation
durch die Minist. Verf. vom 21. Aug. 1876, welche dann im Wesentlichen unverändert
1) Die kath.--theologische Fakultät wurde sammt dem kath. Konvikt (s. u.) durch Königl.
V.O. v. 25. Okt. 1817 unter Aufhebung der bisherigen kath.-theologischen Lehranstalt Ellwangen
gegründet, vgl. auch die organischen Bestimmungen v. 22. Jan. 1818 und Mohl II S. 424
Note 15. Die naturwissenschaftliche Fakultät entstand durch die M.V. v. 5. Aug. 1863
mittels Vereinigung von bisher theils der medizinischen, theils der philosophischen Fakultät zugetheilt
gewesenen Professuren. Mit der seit 1. Oktober 1817 gegründeten „staatswirthschaftlichen", jetzt
„staatswissenschaftlichen" Fakultät ist durch Verf. v. 5. April 1881 der früher an der
Akademie in Hohenheim ertheilte forstwissen schaftliche Unterricht verbunden und aus diesem
Anlasse auch die forstliche Versuchsstation von Hohenheim nach Tübingen verlegt worden. Vgl. auch
die Verf. v. 14. Okt. 1878 und 31. Jan. 1882, 20. Febr. 1883; und zur Geschichte der staats-
wissensch. Fakultät: Jolly in Schmollers Jahrb. XIII 159 ff.
2) Königl. V.O. v. 18. April 1831 §§ 3 u. 9, Ges. v. 18. Juni 1875 Art. 2.
3) Das Nähere, insbesondere über die Gründe der Entfernung s. in dem Statut von 1829
§§ 11, 16, 17 und in der M.V. v. 12. Okt. 1865 §8 10 u. 11.
4) § 18 des angef. Statuts.
5) Die Einnahmen aus dem eigenen Vermögen der Universität wurden im Jahre 1876 zu
73694 M. angegeben; der Staatszuschuß beträgt nach dem neuesten Etat (1893/95) 801 045 M.;
vgl. auch Mohl, II S. 417; Riecke a. a. O. S. 254 f. Bei der Quieszirung und Pensionirung
der ordentlichen Professoren wird ein Dritttheil des Normalgehalts der Klasse, in welcher sie stehen,
als Entschädigung für Kollegiengelder in Berechnung genommen; Art. 7 des Ges. vom 30. März
1828; Beamten Ges. Art. 11.
6) S. übrigens meinen Komm. zur C.Pr. O. 2. Aufl. B. II S. 547 N. 3. Ueber die ver-
schiedenen Seminarien s. Staats Hdb. S. 700.