8 109. Das Verhältniß des Staates zur evangelischen Kirche. 377
gemeinden vom 29. Juli 1888 und durch das kirchliche Gesetz vom gleichen Tage zur
Abänderung der vorangeführten V. O. vom 20. Dez. 1867, betreffend die Einführung
der Landessynode ½.
a) Als Oberkirchen-Behörde fungirt, wie bemerkt, das Konsistorium 2). Sein
kirchlicher Wirkungzkreis erstreckt sich auf die Handhabung der Kirchengesetze, die Wahrung
der Lehre, des Gottesdienstes, der Kirchengebräuche und der kirchlichen Ordnung; die
Prüfung der Geistlichen ), die Stellung der Anträge bei Besetzung der Kirchenämter,
die Aufsicht über die Amtsführung und das Betragen der Geistlichen und die Sorge
für das kirchliche Vermögen ). Ueber die Funktion des Konsistoriums als Oberschul-
behörde s. v. S. 362.
Unter dem Konsistorium stehen die sechs Generalate mit 49 Dekanatämtern. Letz-
teren sind die einzelnen Kirchengemeinden unterstellt, welche zunächst durch die Ortsgeist-
lichen verwaltet werden?).
b. Dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens steht in Beziehung auf das
Kirchenregiment die Vermittelung der landesherrlichen Entschließungen auf die Anträge
des evangelischen Konsistoriums und des Synodus zu. Diese Anträge sind dem Staats-
oberhaupte stets in Urschrift vorzulegen. Außerdem hat das Kultministerium in inneren
evangelischen Kirchenangelegenheiten nur mitzuwirken, soweit es sich um die Dienstaufsicht
über die landesherrlichen Kirchenregimentsbehörden oder um gemischte kirchlich-staatliche
Sachen handelt. ·
Das evangelische Konsistorium ist jedoch für sich oder in seiner Erweiterung zum
Synodus auch zu unmittelbarem Vortrage an den Landesherrn ermächtigt, wenn es bei
der von dem Ministerium unterlassenen Uebermittelung eines Antrages an den König sich
nicht beruhigen zu können glaubt oder von ihm durch eine vom Konsistorium ausgegangene
oder vermittelte Verfügung eine kirchengesetzliche Vorschrift oder ein anerkannter Grund-
satz der Kirche oder sonst ein kirchengenossenschaftliches Recht oder Interesse verletzt oder
mit Verletzung bedroht erscheint. Für den Fall, daß der Kultusminister der evangelischen
Kirche nicht angehören sollte, ist dem Könige vorbehalten, über die Ausübung der inneren
kirchlichen Aufträge durch ein Mitglied der evangelischen Kirche weitere Verfügung zu
treffen ?).
2. Die Landessynode ist die Vertretung der Gesammtheit der evangelischen Kirchen—
gemeinden?). Sie besteht aus 50 von den Diöcesansynoden auf 6 Jahre gewählten Ab—
1) Auf Grund der in Art. XV des letzteren Gesetzes ertheilten Ermächtigung fand dann eine
Neuredaktion der Synodal Ordnung durch das Konsistorium statt unter dem Titel „Landessynodal-
ordnung von 1888“; dagegen ist eine neue Fassung der Diöcesansynodalordnung von 1854 (mit
Rücksicht auf die in dem Gesetz über die Kirchengemeinden v. 29. Juli 1888 enthaltenen Abände-
rungen) nicht erfolgt; s. über diese ganze Gesetzgebung Steinheil: die Gesetze und Verfügungen
über die Kirchengemeinden und Synoden der evang. Landeskirche, Stuttgart 1890.
2) Die Organisation der evangelischen Kirche gehört zwar dem Kirchenrechte, nicht dem
Staatsrechte an, muß aber zur Abgrenzung des staatlichen Aufsichtsrechts wenigstens berührt werden.
3) Vgl. hierüber die V.O. v. 21. Febr. 1829 betr. die Dienstprüfung der evangelischen
Kirchendiener und die Verf. v. 15. Juni u. 26. Aug. 1848.
4) Dahin gehört auch die unmittelbare Verwaltung der allgemeinen kirchlichen Fonds (Be-
soldungsverbesserungsfonds, geistlicher Unterstützungsfonds und geistliche Wittwenkasse).
5) Ueber die exceptionelle Stellung in kirchlicher und politischer Beziehung, welche den beiden
zur evangelisch-lutherischen, wenn auch nicht zur Landeskirche gehörigen separatistischen Gemeinden
Kornthal und Wilhelmsdorf durch eine — noch vor der Gründung der württemberg. Verf. — unter
dem 22. Aug. 1819 erlassenen Königl. V. O. eingeräumt wurde, vgl. Mohl, II S. 511, Wächter 1
1073. Ein Theil dieser Privilegien ist jetzt durch die Reichsgesetzgebung außer Wirkung gesetzt;
s. auch Rieker a. a. O. S. 43.
6) S. die II. V.O. v. 20. Dez. 1867 §§& 1—4.
7) So nach der jetzigen Fassung der Landessynodalordnung, um das Zusammenwirken der