382 Achter Abschnitt: Die Landesverwaltg. III. Die Verwaltg. d. Kirchen= u. Schulwesens. § 109.
sichtsrechts über die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden (s. o.) der kirch-
lichen Gesetzgebung vorbehalten hatte, durch Art. 7— 10 des kirchlichen Gesetzes, betr. die
evangelischen Kirchengemeinden v. 29. Juli 1888 diese kirchliche Bezirksaufsicht auf den
Diöcesanausschuß zu dessen bisherigen kirchlichen Funktionen 1) übertragen worden.
4. Würde der König nicht der evangelischen Konfessiona) ange-
hören, so treten in Hinsicht auf dessen Episcopalrechte die Bestimmungen der früheren
Religionsrever salien wieder ein (V. U. 8 76). Diese sind in acht Urkunden
aus den Jahren 1729 —1795 enthalten ). Von dem oben dargestellten Inhalt derselben
(s. S. 372) ist nun aber alles dasjenige, was die Erhaltung der evangelischen Kirche
als ausschließlicher Landesreligion betrifft, durch die Verfassung selbst, wie durch die
Gesetzgebung seit 1806 unbedingt aufgehoben. Es bleibt sonach in der Hauptsache nur
die Vorschrift übrig, daß in diesem Falle die Ausübung der landesherrlichen Episcopal-
rechte in der evangelischen Kirche in dem durch den Erbvergleich von 1770 näher
bestimmten Umfang dauernd auf den Geheimen Rath übertragen werden soll; allein auch
dieser Grundsatz, sowie die weitere Bestimmung, welche für jenen Fall den Behörden in
kirchlichen Angelegenheiten den direkten Verkehr mit den Ständen gestattet, bedürfen erst
einer näheren gesetzlichen oder wohl richtiger kirchengesetzlichen Regelung in Anknüpfung
an § 71 der V. U., da der Geheime Rath jetzt nicht mehr ausschließlich mit Protestanten
besetzt ist, und die Ständeversammlung nicht mehr, wie im Herzogthum Württemberg,
eine Vertretung der evangelischen Kirche bildet.
5. Einer gesetzlichen Ausscheidung der in dem Aufsichtsrechte des Staates gegen-
über der evangelischen Kirche enthaltenen Befugnisse, wie sie der katholischen Kirche gegen-
über (s. u.) stattgefunden hat, bedurfte es, so lange der Landesherr auch die Episcopal=
rechte ausübt, nicht. Das Staatsoberhaupt vollzieht namentlich die Besetzung der kirch-
lichen Aemter auf den Vorschlag des Konsistoriums unter Vermittelung des Kultministers,
wodurch Gelegenheit gegeben ist, auch die Interessen des Staates zur Geltung zu bringen.
Den Geistlichen steht ferner gegen die von der vorgesetzten Dienstbehörde erkannten
Disziplinarstrafen) nach Maßgabe des Rekursgesetzes vom 26. Juni 1821
(§ 13ff.) der Rekurs, und zwar nunmehr nach § 73 des Ges. v. 16. Dez. 1876 an
den Verwaltungsgerichtshof, also an eine Staatsbehörde zu. Die Entlassung oder
Versetzung im Disziplinarwege dagegen erfolgt nach Maßgabe der §8 47 und 48 der
V. U. durch den König auf Antrag der vorgesetzten kirchlichen Behörde und des Geheimen
Raths nach vorgängiger gutächtlicher Vernehmung des Oberlandesgerichts?).
1) §§ 9 u. 10 der Diöc. Syn.O.
2) Unter der „evangelischen Konfession“ ist nach der hergebrachten Terminologie, namentlich
nach dem Sprachgebrauch der früheren Reichsgesetze (corpus „evangelicorum“, Augustana confessio)
auch die reformirte Kirche begriffen; s. auch Zöpfl, D. Staatsr. § 91 N. 13. Der ständische
Verf.Entw. v. 1816 hatte die Fassung „evangelisch-lutherische“ Konfession; allein in dem Königl.
Verf. Entw. v. 1817 u. in der Verf. Propofition v. 1819 wurde diese Fassung beseitigt, offenbar weil
sich der König dieser neuen Beschränkung nicht unterwerfen wollte, indem die bisherigen Reversalien
sich (anschließend an den Art. V des westph. Friedens) nur auf die Regierung eines katholischen
Landesherrn bezogen hatten. Der Annahme von Rieker, die ev. Kirche Württemb. S. 46, daß
man im Jahre 1819 „den Gegensatz der reformirten Konfession vergessen habe", kann sowohl vom
Standpunkte der damaligen Zeit, als auch wegen der Abweichung vom früheren Entwurf nicht bei-
getreten werden.
3) S. oben S. 372 Note 1.
4) Vgl. Königl. V.O. v. 23. Aug. 1825, §§ 2, 21, 24 vgl. m. Verw.Ed. v. 1822 § 102 Abfs. 4.
5) Die L.Syn.O. v. 1888 Art. 22 Z. 5 hat daran nichts geändert, da es hierzu eines
staatlichen Gesetzes bedarf. Auf die gewählten Mitglieder der evangel. Kirchen gemeinde-
räthe (wie der kath. Kirchenstiftungsräthe f. u.) sowie auf die Beamten der evangel. Kirchen-
gemeinden (und der kath. Pfarrgemeinden) finden die §§ 47 und 48 der V .Urk. keine An-
wendung; dagegen unterliegen sie wegen Verfehlungen gegen die auf die kirchliche Vermögensverwal-