Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

8110. Das Verhältniß des Staates zur katholischen Kirche. 387 
sind aus Staatsmitteln dotirt und unterhalten, und ihre Leitung befand sich bis zur 
Konvention ganz in den Händen der Staatsbehörde. Dies ist nun durch die Art. 11 
und 12 des Kirchen Gesetzes theilweise geändert. Nach Art. 11 soll nämlich jetzt dem 
Bischof in diesen Konvikten die Leitung der religiösen Erziehung der Zöglinge und der 
Hausordnung, insoweit letztere durch die religiöse Erziehung bedingt ist, dem Staate dagegen 
in beiden Richtungen die Oberaufsicht zukommen. In allen übrigen Beziehungen stehen 
die Konvikte nicht blos unter der Oberaufsicht sondern unter der unmittelbaren Lei- 
tung der Staatsbehörde. Insbesondere hängt die Aufnahme von 3öglingen nur von 
der Staatsbehörde ab. Dieselben erhalten hiernach den Unterricht an selbständigen staat- 
lichen Anstalten, nämlich an den vorgenannten Landesgymnasien und an der Universität 
und sind den für diese geltenden Gesetzen unterworfen. Dagegen steht nach Art. 12 dem 
Bischofe die Ernennung der Vorsteher der Konvikte aus der Zahl der an ihrem Sitze 
(vom Könige) angestellten Professoren oder Kirchendiener sowie die Ernennung der Repe- 
tenten zu, die Staatsregierung hat jedoch, wie bei den obenerwähnten Kirchenstellen, das 
Recht der Ausschließung mißliebiger Kandidaten, welches Recht sie auch dann geltend machen 
kann, wenn ein Vorstand oder Repetent nach seiner Ernennung ihr in bürgerlicher oder 
politischer Beziehung unangenehm geworden ist. Im Uebrigen sind die Verhöältnisse dieser 
Konvikte durch die Minist. Verf. vom 4. Mai und 12. Okt. 1859 — sovweit diese Be- 
stimmungen nicht durch die angeführten Art. 11 und 12 des Gesetzes sich modifiziren 
— näher geregelt. Die staatliche Aufsicht wird hierbei durch den katholischen Kirchenrath 
ausgeübt, durch welchen auch die Einberufung in die Anstalten erfolgt. Die Aufnahme- 
prüfungen gehören zum Geschäftskreise der Kultministerial-Abtheilung für Gelehrten- 
schulen s. o. 0. 
Die katholisch-theologische Fakultät an der Universität bildet ein 
organisches Glied der Universität und die Professoren derselben haben dieselbe rechtliche 
Stellung wie die übrigen Universitätsprofessoren; insbesondere kann nach Art. 14 des 
Gesetzes gegen einen Lehrer, dessen Lehrvorträge nach dem Urtheil des Bischofs wider die 
Grundsätze der katholischen Kirche verstoßen, eine Verfügung nur von der Staatsbehörde 
getroffen werden, wobei der Regierung eine durchaus selbständige Prüfung zusteht. 
Aus der Verbindung all' dieser Bestimmungen (Art. 12, 14 vgl. mit Art. 3) ergibt 
sich hiernach, daß in Württemberg die Universitätsbildung und die Erstehung der Fakultäts- 
prüfung an der Universität Tübingen die Bedingung jeder Anstellung im Kirchendienste 
bildet. 
d) Die kirchliche Disziplinargewalt. Durch Art. 5 des Kirchen. Ges. von 
1862 wurden die Hindernisse beseitigt, welche seither der Ausübung der kirchlichen Dis- 
ziplinargewalt bei Verfehlungen katholischer Kirchendiener von Staatswegen entgegen- 
gestanden hatten; insbesondere sind die Bestimmungen der 88 47 und 48 der württemb. 
V. U. über die Entlassung solcher Diener im Disziplinarwege, sowie die früheren Vor- 
schriften über die Untersuchung von Vergehungen derselben ) außer Wirkung gesetzt. Die 
Staatsgewalt hat hiernach auf jedes Mitverwaltungsrecht in Beziehung auf die Disziplinar- 
gewalt des Bischofs verzichtet. Dagegen ist die Staatsbehörde befugt, einem Geistlichen 
wegen Unbrauchbarkeit oder Dienstverfehlungen die ihm vermöge Gesetzes oder besonderen 
Auftrags übertragenen Geschäfte (z. B. die Schulaufsicht 2c.) abzunehmen und einem 
Stellvertreter zu übertragen und zwar, ohne das im § 47 der V. U. vorgeschriebene Ver- 
fahren, durch einfache Verfügung der staatlichen Aufsichtsbehörde. Durch strafrichterliches 
  
1) Golther a. a. O. S. 356 ff., 369 f. 
2) Verw.Ed. v. 1822 § 102 Abs. 4. Königl. V.O. v. 23. August 1825 § 2. 
25“
	        
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