l 110. Das Verhältniß des Staates zur katholischen Kirche. 389
d) Die Leitung des katholischen Religionsunterrichts in den Volks-
schulen sowie in den sonstigen öffentlichen und Privatunterrichtsanstalten, einschließlich
der Bestimmung der Katechismen und Religionshandbücher kommt dem Bischofe zu, un-
beschadet des dem Staate über alle Lehranstalten zustehenden Oberaufsichtsrechts; a. a. O.
Art. 13; vgl. auch Art. 78 des VolksschulG. vom 29. Sept 1836. Die bischöfliche
Leitung des Religionsunterrichts kann sich hiernach nur innerhalb der dem Staate zu-
kommenden einheitlichen Leitung des gesammten Unterrichtswesens bewegen und ist auch
in dieser Begrenzung noch der Oberaufsicht des Staates unterstellt; ebenso kann die
befehlsweise Einführung von Religionsbüchern in den Schulen nach dem unter Lit. a Aus-
geführten nur mit Genehmigung des Staates geschehen, eine Zwangsverfügung in dieser
Beziehung aber überhaupt nur vom Staate ausgehen .
e) Geistliche Orden und Kongregationen können (Art. 15 a. a. O.) von dem
Bischofe nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Staatsregierung eingeführt werden,
welche auch erforderlich ist, so oft ein im Lande schon zugelassener Orden eine neue
Niederlassung gründen will. Die weitere Vorschrift des Art. 15, nach welcher die Staats-
regierung keinenfalls befugt ist, ohne besondere Ermächtigung durch Gesetz den Jesuiten-
orden oder ihm verwandte Orden und Kongregationen zuzulassen, ist jetzt durch das N.G.
v. 4. Juli 1872, welches diese Orden und Kongregationen von dem Reichsgebiete unbe-
dingt ausschließt, ersetzt worden. Auch nach erfolgter Zulassung eines Ordens ist die
hierzu oder zur Gründung einer Niederlassung ertheilte Genehmigung jederzeit widerruflich.
In der Zulassung eines Ordens ist ferner die Ertheilung der juristischen Persönlichkeit
nicht enthalten; vielmehr bedarf es hierzu noch eines besonderen Aktes — der Verleihung
durch den König auf Antrag des Ministers des Innern. Die Gelübde der Ordens-
mitglieder werden von der Staatsgewalt nur als widerrufliche behandelt (Art. 16)75).
1) Die Bildung neuer Kirchengemeinden und die Abänderung bestehender
kirchlicher Gemeinde= und Bezirkseintheilungen sowie die Errichtung, Theilung und Ver-
einigung von Pfründen ist zunächst Sache des Bischofs. Da jedoch staatliche Einrich-
tungen hierdurch unmittelbar berührt werden, so können solche Aenderungen vom Bischofe
nur im Einverständniß mit der Staatsregierung verfügt werden (Art. 17)7.
8) In Beziehung auf das kirchliche Vermögen bestimmt zunächst der Art. 18
des Kirchen G., daß das den kirchlichen Bedürfnissen und Anstalten gewidmete Vermögen
den allgemeinen Landesgesetzen, insbesondere den Gesetzen über öffentliche Lasten und Ab-
gaben sowie über den Besitz von Liegenschaften durch die todte Hand unterliegt ). Im
Uebrigen ist bezüglich der Verwaltung und Beaufsichtigung dieses Vermögens
zu unterscheiden:
4) Die Verwaltung der dem Bisthum angewiesenen Dotation ist im Anschluß
an die Bulle Provida solersque (s. o.) nach Beilage C zum Fundationsinstrument vom
14. Mai 1828 dem bischöflichen Ordinariat unter Oberaufsicht des Staates überlassen?).
1) Val. Golther S. 376 ff. "
2) Vgl. Golther a. a. O. S. 386 ff. und über die bei Zulassung von Orden Seitens der
Regierung einzuhaltenden Grundsätze S. 395 ff. Zur Zeit sind in Württemberg Männerorden über-
haupt nicht, wohl aber einige weibliche Kongregationen (der barmherzigen Schwestern des Vinc. v.
Paula und des III. Ordens des Franz. v. Assisi, sowie der sg. Schwestern von der Buße 2c. vom gl.
Orden zu Gmünd, Reutti und Heiligenbronn, zugelassen; s. auch die Bekanntm. v. 30. März 1855
und 28. Febr. 1868, ferner vom 2. Nov. 1886 u. v. 6. Juli 1893; ferner den Min. Erl. vom
27. März 1855.
3) Golther S. 407f.
4) Vgl. hierüber die im Zusammenhange mit der Konvention v. 1857 erlassene M. V. vom
28. Juni 1859.
5) Dieselbe besteht neben Gebäuden und Gütern in einer vertragsmäßig festgestellten Geld-