Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

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Dritter Abschn.: Die natürl. Grundlagen d. Staats. III. Sonderrechte einzelner Klassen. § 8. 
gerichte. Nachdem die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens durch Königl. 
Entscheidung angeordnet worden ist, wird von dem Präsidenten des Oberlandes- 
gerichts aus der Zahl der Mitglieder desselben ein Untersuchungsrichter be- 
stellt. Die Entscheidung erfolgt durch das Plenum des Oberlandesgerichts auf 
Grund der Ergebnisse der Untersuchung. Das Gericht kann übrigens einen 
Termin zur mündlichen Verhandlung der Sache anberaumen. Wird der An- 
geschuldigte verurtheilt, so muß das Urtheil dem Könige behufs etwaiger 
Ausübung des Begnadigungsrechts vorgelegt werden. Ein Rechtsmittel findet 
nicht statt ¹). 
Die Mitglieder des Königl. Hauses werden als Zeugen in Strafsachen durch 
den Präsidenten des Oberlandesgerichts vernommen und vereidet. Die Bestim- 
mungen der §§ 167 und 191 der Str. P.O. finden hierbei keine Anwendung. 
b) In bürgerlichen Rechtssachen haben die Mitglieder des Königl. Hauses ihren 
Gerichtsstand vor dem Oberlandesgerichte, welches in der ersten, in der Berufungs- 
und in der Beschwerdeinstanz entscheidet. Eine Ausnahme machen nur die Ehe- 
sachen und die nachher anzuführenden persönlichen Angelegenheiten ²). Dieselben 
sind auch (nach § 196 der C.P.O.) nicht verpflichtet, in bürgerlichen Rechtssachen 
persönlich an der Gerichtsstelle zu erscheinen; sie werden ferner als Zeugen von 
dem Präsidenten des Oberlandesgerichts in ihrer Wohnung vernommen und ver- 
eidet und leisten vor demselben den Eid als Partei, wobei der § 322 der C.P. O. 
keine Anwendung findet ³). 
Ehestreitigkeiten sollen nach Art. 65 des Hausgesetzes an den König gebracht 
werden, welcher sie beizulegen suchen, „auch nach Befund der Umstände ein eigenes 
Konsistorium in Beziehung auf die Trennung der Ehe niedersetzen und dessen 
Ausspruch zur Richtschnur der dabei betheiligten Ehegatten bestätigen wird. Bei 
fürstlichen Personen nicht evangelischer Konfession werden zugleich die Grundsätze 
ihrer Kirche berücksichtigt werden ⁴). 
d) Für wichtige Fälle anderer Art in persönlichen Angelegenheiten der Mitglieder 
 
des königl. Hauses, in welchen es sich nicht um die Entscheidung bürgerlicher oder 
ehelicher Rechtsverhältnisse handelt, also namentlich bei Entmündigungen ⁵), steht 
dem Könige nach Art. 66 des Hausgesetzes die Befugniß zu, einen Familienrath 
einzusetzen, welcher unter dem Vorsitze des Königs oder Desjenigen, welchem 
der König den Vorsitz überträgt, aus den im Lande anwesenden volljährigen 
Prinzen des königl. Hauses, bei welchen kein rechtliches Hinderniß obwaltet 
und aus den Mitgliedern des Geh. Raths gebildet wird und unter dem Vor- 
trag des Justizministers seine gutächtlichen Anträge zur Entscheidung des 
Königs stellt. 
e) Die Funktion des Standesbeamten und die Führung und Aufbewahrung der 
Standesregister des königl. Hauses liegt nach Maßgabe eines königl. Dekrets vom 
 
1) Württemberg. Ausf.G. z. St. Pr. O. v. 4. März 1879 Art. 1 vgl. mit § 5 des Einf.G. 
z. R.G.V.G. und § 4 des Einf.G. z. St. Pr. O. und Baur a. a. O. S. 327, 330 f. — Ueber die Zu- 
ständigkeit des Staatsgerichtshofs gegenüber den Mitgliedern des königlichen Hauses als „Standes- 
herren“ s. unten § 35. 
2) Nach den Mot. z. Art. 3 des Ausf.G. z. C. Pr. O. soll dieses auch für das Konkursverfahren 
und die damit verbundenen Feststellungsklagen gelten; s. aub Baur a. a. O. S. 328. 
3) S. Art. 1 des württemberg. Ausf.G. z. C. Pr.O. v. 18. Aug. 1879; C.Pr.O. § 340 und 
Gaupp, Komm., Anhang S. 20, 44, 104. 
4) Val. auch R.G. v. 6. Febr. 1875 § 72. 
5) S. Art. 1 Abs. 4 des Ausf.G. v. 18. Aug. 1879 u. Mot. zu dems.
	        
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