60 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. I. Der König. §§ 14, 15.
4. Die von dem Stellvertreter innerhalb seiner Vollmacht vorgenommenen Handlungen
haben dieselbe rechtliche Wirkung, wie wenn sie von dem König selbst ausgegangen wären.
Allgemeine Anordnungen gelten daher auch nach dem Aufhören der Vertretung, bis sie
vom König in verfassungsmäßiger Weise wieder aufgehoben werden.
5. Sollte an die vorübergehende Uebertragung der Stellvertretung eine dauernde Ver-
hinderung des Königs an der Uebernahme der Selbstregierung sich anschließen, so hätte
eine Reichsverwesung nach Maßgabe des § 12 einzutreten ¹).
Die dauernde Uebertragung eines Theiles der Regierungsgewalt an einen Anderen
in der Form der Mitregentschaft kennt die Verfassung nicht. Dieselbe ist schon durch die
Bestimmungen über die Erbfolge ausgeschlossen.
C. Die persönlichen Bechte des Königs.
§ 14. I. Die Unverletzlichkeit der Person. Die Person des Königs, als des Trägers
der gesammten Staatsgewalt ist „heilig und unverletzlich"; V. U. § 4. Hierin ist ent-
halten:
a) Die Vorschriften des Strafgesetzbuches über Hochverrath (§§ 80, 81) und über
Thätlichkeiten und Beleidigungen (§§ 94, 95) umgeben die Person des Königs mit
einem besonderen Schutz.
b) Der König ist für seine Handlungen Niemandem verantwortlich ²), und
kann wegen derselben weder vor dem Strafrichter, noch vor dem Civilrichter,
noch vor dem Verwaltungsrichter belangt, auch innerhalb Württembergs weder in
Civil-, noch in Strafsachen als Zeuge vernommen werden ³). Nur in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten, welche sein Privatvermögen oder die Civilliste betreffen, hat
derselbe als Partei auf Grund des § 5 des E.G. z. C.P.O. und des württem-
bergischen Ausf.Ges. Recht zu geben und zwar vor dem Oberlandesgerichte ⁴).
Eine Entmündigung des Königs kann nur auf dem durch § 13 der V. U. vor-
gezeichneten Wege (s. o. S. 56f.) stattfinden. Auch in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten über das Privatvermögen des Königs ist die Haft als Mittel der
Zwangsvollstreckung ausgeschlossen. Geldstrafen können dem Könige nicht auferlegt
werden.
§ 15. II. Die Ehrenrechte des Königs (s. auch oben S. 13). A. Die äußeren
Ehrenbezeugungen, welche dem König zukommen, sind die in den monarchischen Staaten
allgemein üblichen, nämlich:
1. Die Titulatur ist der Taufname des regierenden Königs mit dem Beisatze „von
Gottes Gnaden König von Württemberg“, ohne weiteren Zusatz ⁵). In schriftlichen Ein-
gaben lautet (wie im mündlichen Verkehr) die Anrede „Eure K. Majestät“ und die Adresse
„An den König". Die Schlußformel ist „Ehrfurchtsvoll“ ⁶).
Gegenstände von größerer Wichtigkeit dem Könige nachgesandt, die übrigen aber von dem Stell-
vertreter erledigt werden.
1) Die Grenzen zwischen vorübergehender Vertretung und Reichsverwesung sind rechtlich ein-
fach; die thatsächlichen Schwierigkeiten gehören nicht dem Gebiete des Staatsrechts, sondern der
Politik an.
2) Ueber die Unverantwortlichkeit in Beziehung auf die Regierungshandlungen s. S. 71.
3) Nach Sarwey, I S. 136 wäre der König nur in Strafsachen von der Zeugnißpflicht
befreit; dies ist nicht richtig; s. d. w. Ausf.G. z. C. P. Art. 2, vgl. mit dem E.G. § 5; der § 340
Abs. 2 der C. Pr. O. gilt nur für die Vernehmung außerhalb Württembergs.
4) Vgl. Ausf.G. z. C. Pr. O. Art. 2, zur St. Pr. O. Art. 2, Laband, R. St. R. II S. 358
und bezüglich des früheren württ. Rechts Gaupp, Komm. z. C. Pr.O. 1. Aufl. B. III S. 590 Note.
5) Der frühere große Titel ist enthalten in einem Decrete vom 8. Nov. 1810.
6) V.O. v. 30. Okt. 1816.