Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

76 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. I. Der König. § 19. 
Die näheren Bestimmungen über die Ausübung des Mitgliedschaftsrechts im Bundesrathe 
nach Maßgabe der Reichsverfassung sind im Reichsstaatsrechte zu erörtern. Hier ist nur 
folgendes hervorzuheben: 
Württemberg führt im Bundesrath vier Stimmen an der Gesammtzahl von 58 
Stimmen. Die Ernennung der mit der Stimmführung im Bundesrathe beauftragten Ver- 
treter steht dem Staatsoberhaupte unter Gegenzeichnung eines Ministers (V. U. § 51) zu. 
Die Vollmacht ist zwar mit Wirkung für Dritte nicht beschränkbar ¹); dagegen sind die 
Bevollmächtigten der Staatsregierung für ihre gesammte Thätigkeit, insbesondere für die 
Befolgung ihrer Instruktionen verantwortlich. Die Regierung ist bezüglich ihrer Ab- 
stimmung im Bundesrath, überhaupt der Instruktion ihrer Vertreter, formell an die Zu- 
stimmung der Ständeversammlung nicht gebunden, noch weniger ist die Giltigkeit der 
Abstimmung durch eine solche bedingt, sollte es sich auch um eine Verfassungsänderung 
oder um das Aufgeben eines sog. Reservatrechts handeln. Letzteres ergibt sich schon aus 
dem bezüglich der Vollmacht Bemerkten ²); aber auch die Nothwendigkeit einer Zustim- 
mung zu dem Inhalte der Instruktion in dem Sinne, daß die Unterlassung der Einholung 
des Konsenses eine formelle Verfassungsverletzung begründen würde, läßt sich aus der 
württembergischen Verfassung in Ermangelung einer besonderen Bestimmung hierüber 
nicht begründen, da der König nach § 4 der V. U. alle Rechte der Staatsgewalt in sich 
vereinigt und in der Ausübung dieser Rechte nur nach Maßgabe der besonderen Be- 
stimmungen der Verfassung beschränkt ist ³). Für die Abstimmungen im Bundesrath und 
die Instruktion der Bevollmächtigten läßt sich daher nur eine allgemeine politische, aber 
nicht eine rechtliche Verantwortlichkeit der Minister rechtfertigen, und es kann daher auch 
auf diese Abstimmungen eine Ministeranklage vor dem Staatsgerichtshofe nach dem unten 
(s. § 35) Auszuführenden nicht gegründet werden ⁴). 
Nach Art. 6 des Verf.Ges. v. 1. Juli 1876 sind alle Angelegenheiten, welche die 
Beziehungen zum Reiche betreffen, dem Staatsministerium zur Berathung zugewiesen, 
welches seine auf die Abstimmung im Bundesrathe bezüglichen Anträge dem König vor- 
legt und nach Genehmigung derselben die Instruktion ertheilt. Angelegenheiten, welche ein 
einzelnes Ressortministerium ausschließlich betreffen, können in diesem weiter behandelt werden. 
VI. Die Vertretung des Staates in seinem Verhältniß zu auswärtigen Staaten. 
Diese äußert sich theils in dem Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen mit auswärtigen 
 
1) Die nähere Begründung gehört in das Reichs-Staatsrecht, s. Laband an den angef. 
OO. und G. Meyer, D. St. R. § 123 a. E. 
2) Vgl. auch von den Lehrern des Reichsstaats-Rechts, insbesondere Mohl, Reichsstaats- 
Recht S. 233 N. 2, S. 277, G. Meyer, a. a. O. § 123, Thudichum in den Jahrb. d. d. R. I 
S. 48 Nr. 2, Hänel, Studien S. 209f., Laband in diesem Handbuch II 1 S. 44., St. R. I 
S. 91, 115 f., 226f. 
3) Die Bestimmung des § 85 der V. U. über Verträge mit dem Auslande findet hier selbst- 
verständlich keine Anwendung, da die Abstimmungen im Bundesrath keine Verträge mit dem Aus- 
lande sind; unrichtig: Bitzer a. a. O. S. 394 f. Dagegen könnte allerdings — was aber bis jetzt 
nirgends geschehen ist — durch ein Landesgesetz die Mitwirkung des Landtags bei der Instruktions- 
ertheilung festgesetzt werden; allein ein solches Gesetz könnte die Giltigkeit der Abstimmung im 
Bundesrath, selbst wenn es sich um die positive Erklärung des Verzichtes auf ein sog. Rerservat- 
recht handeln würde, nicht bedingen, wohl aber würde dadurch eine rechtliche, nicht blos poli- 
tische Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber den Ständen nach § 195 der V. U. begründet; 
s. Laband, a. a. O. S. 89, 116, 226f.; für ganz unzulässig halten ein solches Gesetz Hänel, 
Studien S. 219, Seydel, Komm. S. 19, 269 ff. u. A.; s. aber hiergegen Pistorius, Staats- 
gerichtshöfe S. 196 ff. 
4) Vgl. Laband, I S. 91 u. 92 N. 1; in Württemberg besteht Uebereinstimmung hierüber 
zwischen Regierung und Ständen; vgl. oben S. 12 bei N. 1 und die Erkl. des Ministers des Ausw. 
v. 12. Juli 1871 (Verh. d. Abg. K. v. 1870/74, Pr. B. I S. 402 f.) und die Beschl. d. Abg. K. v. 
23. Dez. 1870 (ebendas. Pr. B. I S. 21, 70, 71) u. v. 8. Febr. 1872 (ebendaf. B.B. 1I S. 593 ff., 
Pr. B. II S. 528 ff. Pr. B. III S. 1349 ff.).
	        
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