§ 21. Die staatsrechtlichen Befugnisse der Ständeversammlung. 81
privatrechtliche Verbindlichkeiten der Staatsverwaltung sich gründen, ferner alle Ausgaben
zur Erfüllung von Verpflichtungen gegen das Reich. Es kann aber auch eine blos that-
sächliche Nothwendigkeit vorliegen, wenn die Ausgabe die Erhaltung der Integrität des
Staates oder seiner Verfassung bedingt ¹); nur ist in letzterem Falle selbstverständlich den
Ständen bezw. dem Staatsgerichtshofe ein freierer Spielraum für die Beurtheilung ge-
lassen. Blos nützliche Ausgaben können dagegen die Stände nach ihrem freien Ermessen
verwilligen oder ablehnen. Auch wirkt die Anerkennung solcher Ausgaben nicht länger als
auf die Dauer des Etats, sofern die Regierung nicht auf Grund der ständischen Ver-
willigung bindende Verpflichtungen übernommen hat. Mit jedem neuen Etat bedarf es
des neuen Nachweises der Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der Ausgabe. Aber auch inner-
halb der Etatsperiode selbst gilt — eine Konsequenz des auf jeden einzelnen Posten sich
erstreckenden Prüfungsrechts der Stände — der Grundsatz, daß die für einen bestimmten
Zweck verwilligten Beträge nur mit vorgängiger Zustimmung der Stände von einer
Position eines Spezialetats auf eine andere übertragen werden dürfen und daß Ersparungen
an einer Position der Staatskasse heimfallen. Eine Uebertragung von einer Finanzperiode
auf die andere findet nur statt, wenn dieselbe schon bei der Verwilligung zugelassen
wurde ²), oder wenn zur Ausführung der früher beschlossenen Aufgabe bereits Verbindlich-
keiten übernommen worden sind oder die thatsächliche Ausführung des Zwecks so weit
begonnen hat, daß dieselbe nicht mehr rückgängig zu machen ist. Ebenso entscheidet bei
der ausnahmsweisen Uebertragung von einem Titel eines Etats auf den anderen die
ausdrückliche oder aus dem inneren Zusammenhange der Titel zu folgernde Einwilligung
der Ständekammer. Restbeträge, bei welchen eine Uebertragung nicht stattgefunden hat,
können nach § 110 der V. U. von den Ständen zur Deckung des nächsten Etats verwendet
werden, ohne daß es hierzu der Einwilligung der Regierung bedarf (s. unten).
Formell werden die Ausgaben in der Weise festgestellt, daß der Entwurf des Finanz-
gesetzes mit dem beigefügten Hauptfinanzetat unter schriftlicher Motivirung der einzelnen
Ansätze den Ständen übergeben wird. Nach vorgängigem Berichte der Finanzkommission
beschließt dann die Kammer, wie bei anderen Gesetzen, über jede einzelne beantragte Summe.
Mit dem gesammten Etatsgesetze gelten hiernach auch die Spezialetats so, wie sie von den
Ständen genehmigt worden sind, als verabschiedet 3.
2. Die Feststellung der Staatseinnahmen. Die Einnahmen des Staats bestehen
theils in dem Reinerertrage des Staatsgutes (Kammergutes), theils in dem Ertrage der
Steuern. Nur soweit der Ertrag des Kammergutes, aus welchem in erster Linie der mit der
Staatsverwaltung verbundene Aufwand zu decken ist, nicht zureicht, wird der Staatsbedarf
durch Steuern bestritten ⁴).
A. Der Ertrag des Kammergutes und seine Feststellung.
Dieses Gut war ursprünglich Eigenthum der Regentenfamilie, aus welchem von Anfang
an die Kosten der gutsherrlichen und mit Entwickelung der Landeshoheit, der landesherrlichen
1) Wie es z. B. bei der im Jahre 1866 seitens Württemberg entrichteten Kriegskontribution
der Fall war.
2) Natürlich kann die Uebertragung auch nachträglich bei dem neuen Etat beschlossen werden.
Ob eine solche Zustimmung vorliegt, ist eine reine Thatfrage; die Verh. und Beschlüsse der Abg.-
Kammer im einzelnen Falle haben keine Bedeutung für die Erzeugung objectiver Rechtsnormen, an
welchen es zur Zeit fehlt. Bei der Uebertragung von einem Jahrgange eines Etats auf einen andern
handelt es sich vorherrschend um den Verwendungsnachweis bei der Stellung der Staatsrechnung;
s. auch Bitzer a. a. O. S. 347 ff. Widenmeyer a. O. S. 21ff.
3) Obgleich die Spezialetats nicht mit dem Finanzgesetze publizirt werden, also auch nicht
formell Gesetzeskraft haben, s. hierüber auch Laband, II S. 1037 ff.
4) V. U. §§ 103, 109.
Handbuch des Oesfentlichen Rechts III. 2. Aufl. Württemberg. 6