Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.2. Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg. (2)

84 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Staates. II. Die Ständeversammlung. § 21. 
Minder-Einnahmen und Ausgaben enthalten. Auf alle diese Punkte erstreckt sich die 
Prüfung des ständischen Ausschusses bezw. der Finanzkommission der Ständekammer ¹). 
Anstände, welche sich hierbei ergeben, kann nur die Ständekammer selbst erledigen (S. 
auch unten § 67 II). Soweit nach Feststellung dieser Prämissen der Ertrag des Kammer- 
gutes zur Deckung der festgestellten Auslagen nicht zureicht und der Nachweis über die 
Verwendung der früheren Staatseinnahmen (V. U. § 110) geführt ist, sind Steuern zu 
verwilligen; es sollen also zur Bestreitung des Defizits der laufenden Verwaltung keine 
Schulden kontrahirt, ebensowenig soll aber auch zu diesem Zwecke zur Veräußerung oder 
Belastung des Kammerguts geschritten werden. Für den Betrag der zu verwilligenden 
Steuer, wie für die Wahl unter den möglichen Steuern ist, da den Ständen in Steuer- 
sachen das Recht der Initiative nicht zusteht, zunächst das Ansinnen der Regierung maß- 
gebend; die Stände sind nur berechtigt, eine angesonnene Steuerverwilligung abzulehnen, 
z. B. weil zur Deckung des Defizits noch Ueberschüsse aus den früheren Einnahmen vor- 
handen sind, oder den Betrag der Steuer herabzusetzen oder auch Bedingungen, welche sich 
auf die Verwendung der Steuer beziehen, festzusetzen; dagegen steht ihnen die Befugniß 
nicht zu, an die Stelle einer vorgeschlagenen eine andere Steuer zu setzen oder eine an- 
gesonnene Steuer zu erhöhen; in beiden Beziehungen sind sie auf die Erklärung der 
Bereitwilligkeit oder nach ihrer Wahl auf den Petitionsweg beschränkt ²). Unbedingt unter- 
sagt ist es ferner den Ständen, die Verwilligung der Steuern an Bedingungen zu knüpfen, 
welche die Verwendung derselben nicht unmittelbar betreffen ³).  
Die Umlage der verwilligten Steuern erfolgt durch die Regierung und zwar ist 
die höhere Leitung des Einzuges der direkten wie der indirekten Steuern einer besonderen 
Centralbehörde (dem Steuerkollegium) unter der Aufsicht des Finanzministers übertragen. 
Dagegen werden die direkten Steuern im Sinne des älteren württemberg. Rechts, d. h. die 
Steuern aus Grundeigenthum, Gefällen, Gebäuden und Gewerben nicht von der Staats- 
verwaltung selbst eingezogen, sondern vielmehr an die Amtskörperschaften ausgeschrieben 
und von diesen auf die einzelnen Gemeinden repartirt (ein Ueberrest der altwürttemberg. 
ständischen Steuerverwaltung)⁴). Das Finanzministerium hat deßhalb den Ständen (bezw. 
dem Ausschusse) die von der Centralsteuerbehörde zu entwerfende Repartition der vor- 
genannten, für das betreffende Finanzjahr verabschiedeten Steuern, sowie monatlich den 
Kassenbericht der Staatskasse über die Eingänge an diesen Steuern und die etwaigen Aus- 
stände zur Einsicht mitzutheilen ⁵). 
Eine Ausnahme von dem Grundsatze, daß jede Steuererhebung durch die vorgängige 
Verwilligung der Stände bedingt ist, gilt nur insofern, als die auf einen gewissen Zeit- 
raum verwilligten Jahressteuern nach Ablauf dieses Zeitraumes in gleichem Maaße auch 
im ersten Drittel des folgenden Jahres auf Rechnung der neuen Verwilligung eingezogen 
 
1) Auch bei der Berechnung der Steuern im Etat wird, obgleich hier nicht, wie bei dem 
Ertrage des Kammergutes, eine Vorschrift der Verf. (§ 110) vorliegt, der Elementaraufwand für 
die Steuererhebung in Abrechnung gebracht und nur der Nettoertrag im Etat aufgeführt; auch dieser 
Aufwand unterliegt jedoch — wie andere Ausgaben — der Prüfung durch die Stände. 
2) Verf.Ges. vom 23. Juni 1874 Art. 6. 
3) V. U. § 113. 
4) Eine für den Staat äußerst bequeme Einrichtung, bei welcher nicht nur die ganze Steuer- 
exekution, sondern auch das Risiko der Uneinbringlichkeit der Steuern auf den Gemeinden lastet. 
Das Ges. v. 28. Aug. 1873 hat hieran nichts geändert, wenn auch jetzt das Bezirkssteueramt, also 
eine Staatsbehörde, den Katasterbetrag der Gemeinde auf der Grundlage des Steuergesetzes feststellt 
und der materielle Einfluß der Gemeinde bei der Repartition der Staatssteuer auf die einzelnen 
Pflichtigen thatsächlich vermindert, diese Umlage zu einer bloßen Rechnungsmanipulation geworden 
ist. Art. 11 des angef. Ges., vgl. auch Boscher, 3. XXXI 151. 
5) V. U. §§ 117, 118.
	        
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