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betreffend das Läuten der Kirchenglocken oder den Bestimmungen II oder III zuwider—
handelt, wird, wenn nach den bestehenden Gesetzen keine höhere Strafe verwirkt ist, nach
8 9b des preußischen Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 in Ver—
bindung mit Art. 68 der Reichsverfassung und dem Reichsgesetz vom 11. Dezember 1915
mit Gefängnis bis zu 1 Jahr bestraft. Beim Vorliegen mildernder Umstände kann auf
Haft oder auf Geldstrafe bis zu 1500 Mark erkannt werden.
Stuttgart, den 25. Oktober 1916/29. Januar 1917.
v. Schaefer.
Bekanntmachung des stellv. Generalkommandos für den Fall eines drohenden oder erfolgenden
feindlichen Angriffs aus der Luft.
(Staatsanz. vom 10. August 1916 Nr. 185 S. 1445.)
1. Diese Bekanntmachung gilt für Groß-Stuttgart, Feuerbach, Zuffenhausen, Botnang, Kalten-
tal, Münster, Hedelfingen, Obertürkheim, Zazenhausen; Ludwigsburg, Eglosheim, Asperg, Korn-
westheim; Rottweil; Oberndorf; Friedrichshafen; Böblingen, Sindelfingen, Vaihingen a. F.
Möhringen a. F.; Eßlingen, Obereßlingen, Mettingen, Berkheim.
2. Wenn das Herannahen feindlicher Luftfahrzeuge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest-
gestellt ist, wird die Eimnwohnerschaft hiervon rechtzeitig durch die von den Orts-
behörden in ortsüblicher Weise öffentlich bekannt zu gebenden und von ihnen zu veranlassenden
Warnungszeichen benachrichtigt werden. Ebenso wird durch Zeichen angekündigt
werden, wann die Gefahr vorüber fst.
3. Auf die Wäarnungszeichen (vergl. jedoch auch Ziff. 4 Abs. 2) hat folgendes schleunigst
zu geschehen:
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a) bei Tage (d. h. 1 Stunde vor Sonnenaufgang bis 1 Stunde nach Sonnenuntergang sind
alle nach der Straße führenden Hauszugänge zu öffnen und offen zu
halten. Schutz suchenden Personen ist Einlaß zu gewähren.
b) bei Nacht sind alle Lichter oder künstliche Lichtquellen, dieins Freie
wüirken, zu löschen oder wirksam abzublenden. Dies gilt neben der öffentlichen
Straßenbeleuchtung insbesondere von der Beleuchtung der Bauwerkein sämtlichen
Stockwerken und nach allen Seiten, einschließlich der Treppenhäuser,
Wohnungen und gewerblichen Räume jeder Art, ferner der Höfe, Einfahrten, Gärten und
Grundstücke.
c) der Verkehr der Straßenbahnen, der Kraftfahrzeuge, der Fuhrwerke
aller Art, sowie das Radfahren ist innerhalb des Ortsbereiches, bei Bedarf auch außer-
halb dieses, ein zustellen, dabei jedoch anzustreben, vorher nahe gelegene Häuser schnell zu
erreichen, damit sich die Insassen in Sicherheit bringen können. Die Lichter haltender
Fahrzeuge sind zu löschen. Mit Pferden bespannte Wagen haben womöglich in Höfen
oder unter Brücken und dergleichen Aufstellung zu nehmen. (Für das etwaige Einstellen des
Fahrbetriebes der Eisenbahnen auf bedrohten Strecken, das Abdunkeln der Eisenbahnanlagen,
Eisenbahnzüge und Wagen bei Nacht sind besondere Bestimmungen getroffen worden).
4. Die vorstehenden Anordnungen (3àa—c) bleiben für die ganze
Dauer des Gefahrzustandes wirksam. Dieser beginnt mit dem Warnungs-
zeichen, oder dem feindlichen Angriff selbst und endigt, wenn das Zeichen „Ge-
fahr vorüber“ gegeben worden ist. Die Wie deraufnahme des Fahrverkehrs
nach diesem Zeichen hat, namentlich in großen Orten, müt Vorsicht zu geschehen.
Wird auf Anordnung der hiefür zuständigen Ortsbehörde die öffentliche Straßenbeleuchtung
schon vor dem eigentlichen Warnungszeichen gelöscht, so treten die unter Za—c gegebenen Vor-
schriften schon mit dieser Maßnahme in Kraft.
5. Wenn in unmittelbarer Folge eines feindlichen Angriffes aus der
Luft Unglücksfälle oder eine gemeine Gefahr oder Not entstehen und
die Polizeibehörde dder deren Stellvertreter zur Hilfe auffordert, ist jeder-
mann verpflichtet, Folge zu leisten, soweit er der Aufforderung ohne erhebliche
eigene Gefahr genügen kann.
6. Das Zusammenlaufen von Menschen an denjenigen Stellen, vo Bomben
abgeworfen worden sind, ist verboten. Nicht geplatzte Bomben dder
Sprengstücke der Abwehrgeschosse dürfen nicht berührt, noch weniger gesammelt
werden. Wird ein blind gegangenes Geschoß entdeckt, so ist jedermann verpflichtet, von der
Fundstätte alsbald der Polizeäbehörde Anzeige zu machen.
7. Es ist verboten, Nachrichten über den Verlauf des feindlichen Luft-
angriffs und den dabei verursachten Schaden ohne Genehmigung des stellv.
Generalkommandos zu verbreiten. -
8. Wer diesen Anordnungen (3—7) vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, wird, wenn nach
den bestehenden Gesetzen keine höhere Strafe verwirkt ist, nach S 9b des preußischen Gesetzes
über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 in Verbindung mit Art. 68 der Reichsverfassung
und dem Reichsgesetz vom 11. Dezember 1915 mit Gefängnis bis zu 1 Jahr bestraft. Beim Vor-
liegen mildernder Umstände kann auf Haft oder auf Geldstrafe bis zu 1500 Mark erkannt werden.
Stuttgart, den 6. Juni 1916.
v. Schaefer.
Luftangriffe.