Die Gerichtsverfassung 77
und der Zwangsvollstreckungen übertragen; sie werden vom Staate
ernannt, handeln aber, soweit sie nicht Aufträge der Gerichtsbehörden
ausführen, als Beauftragte der Parteien. Die Gerichtsvollzieher
beziehen in Bayern die Gebühren und Auslagen, die ihnen auf Grund
der Gesetze zustehen, nicht selbst, sondern die Gebühren und Auslagen
werden in Bayern für die Staatskasse erhoben. Die Gerichtsvoll-
zieher beziehen dafür vom Staate ein Gehalt. Von den Gebühren
wird ihnen jedoch ein prozentualer Anteil zugeteilt.
5. Die Notare.
Die Notare sind in Bayern dazu berufen, öffentliche
Beurkundungen und Beglaubigungen zu bewirken und Urkunden
in amtliche Verwahrung zu nehmen, ferner Vermögens= und Nach-
laßverzeichnisse aufzunehmen, Siegel anzulegen und abzunehmen,
öffentliche Versteigerungen vorzunehmen und Versicherungen an
Eidesstatt abzunehmen, die zum Zwecke einer Glaubhaftmachung ab-
gegeben werden.
Die Notare sind öffentliche Beamtez; sie werden vom
König auf Lebenszeit ernannt. Notar kann nur werden, wer die
Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat. Der Notar kann in Bayern
nicht zugleich Rechtsanwalt sein. Die Notare üben ihre amtliche
Tätigkeit als Inhaber staatlicher Behörden, der Notariate, aus. Es
bestehen in Bayern zurzeit 358 Notariate. Die Notare beziehen kei-
nen Gehalt aus der Staatskasse, sondern sie erhalten Gebühren, d. h.
Vergütungen, die von den Beteiligten für die Vornahme der einzel-
nen Amtshandlungen zu zahlen sind. Sie stehen unter der Aufsicht
der Präsidenten der Landgerichte, der Oberlandesgerichte und des
Jnstizministeriums.
Für jeden Oberlandesgerichtsbezirk wird mindestens eine Nota-
riatskammecr errichtet. Dieser obliegt, über die Wahrung der
Standesehre durch die Notare zu wachen, Streitigkeiten unter den
Notaren und Streitigkeiten zwischen den Notaren und den Parteien
zu vermitteln und die Angelegenheiten des Notariats gegenüber dem
Justizministerium zu vertreten.
6. Die Rechtsanwälte.
Die Rechtsanwälte, deren Verhältnisse in einem besonderen
Reichsgesetz, der „Kechtsan waltsordnung“, geregelt wurden,
sind berufen, die Parteien vor Gericht zu vertreten oder zu verteidigen;
sie sind nicht Beamte, sondern Beauftragte der Parteien; doch werden
sie auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Berufspflichten beeidigt.
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