Full text: Bürgerkunde.

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84 Das Strafrecht 
Bei manchen Handlungen wird aber nicht nur die vorsätzliche, 
sondern auch die nur fahrlässige Begehung bestraft. Bei 
Verbrechen und Vergehen ist dies nur dann der Fall, wenn das Gesetz 
auch die fahrlässige Begehung ausdrücklich für strafbar erklärt, wäh- 
rend die polizeilichen Uebertretungen regelmäßig bei vorsätzlicher, wie 
bei fahrlässiger Begehung strafbar sind, selbst wenn im Gesetz hierüber 
nichts Besonderes gesagt ist.“ Eine strafbare Fahrlässigkeit liegt aber 
nur dann vor, wenn der Täter die ihm obliegende Aufmerksamkeit 
außer acht ließ, und wenn er ferner den eingetretenen schlimmen Er- 
folg seiner Unachtsamkeit als möglich hätte voraussehen können. So 
wird z. B. ein Kutscher, der durch überschnelles Fahren einen Fußgän- 
ger verletzt, wegen fahrlässiger Körperverletzung bestraft, weil er 
durch das zu rasche Fahren unvorsichtig handelte, und weil er ferner 
die Möglichkeit, daß hierdurch jemand überfahren und verletzt werde, 
voraussehen konnte. 
4. Strafausschließungs= und Strafmilderungsgründe. 
In manchen Fällen, in denen an sich der Tatbestand einer straf- 
baren Handlung als gegeben erscheint, darf eine Bestrafung trotzdem 
nicht stattfinden, weil der Täter bei der Tat nicht im Zustand der 
Willensfreiheit war. Eine Bestrafung ist aus diesem Grunde ausge- 
schlossen, wenn der Täter zur Zeit der Tat sich in einem Zustande von 
dazu gehört vielmehr noch, daß A sich bei der Tat bewußt war, daß die 
Mauer nicht ihm gehöre (eine fremde Sache war), und daß er sich endlich 
auch bewußt war, die Zerstörung sei rechtswidrig. Nur wenn dies alles fest- 
steht, darf also eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung erfolgen. 
Man wende nicht ein, daß eine so eingehende Prüfung des objektiven 
und subjektiven Tatbestandes, wie eben geschildert, eigentlich überflüssig sei, 
weil das Rechtsgefühl allein schon sage, wann ein Angeklagter schuldig oder 
nichtschuldig ist; denn gerade diese eingehende Zergliederung der zur Ab- 
urteilung kommenden Handlung sichert eine wirklich genaue Prüfung; sie 
macht ferner den Richter unabhängiger von den leicht irreführenden 
Regungen des Abscheus wie des Mitleids und gewährt damit dem Ange- 
klagten den besten Schutz gegen eine willkürliche Beurteilung seiner Tat. 
Selbstverständlich muß der Richter hierbei auch unablässig darauf achten, 
ob das Ergebnis seiner Prüfung mit dem natürlichen Rechtsgefühl über- 
einstimmt, und er wird, wenn das nicht der Fall zu sein scheint, nachforschen, 
ob ihm bei seinen Feststellungen ein Irrtum unterlaufen ist, oder ob (was 
auch vorkommen kann) das Rechtsgefühl bei näherer Betrachtung sich als 
irreführend erweist. Alles dies gilt nicht nur für die Berufsrichter, son- 
dern in gleicher Weise auch für Schöffen und Geschworene, da diese ebenso 
durch ihre beschworene Richterpflicht an das Gesetz gebunden sind. 
“ Z. B. kann ein Hauseigentümer, welcher einer polizeilichen Vor- 
schrift zuwider den Gehweg vor seinem Hause nach einem Schneefall nicht 
vom Schnee reinigen ließ, wegen Uebertretung dieser Polizeivorschrift 
bestraft werden, auch wenn die Reinigung nicht vorsätzlich, sondern nur fahr- 
lässigerweise (aus Unachtsamkeit) unterlassen wurde.
	        
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