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106 Das Strafverfahren
Bei der Hauptverhandlung muß der Angeklagte zugegen sein;
nur in gewissen, weniger wichtigen Fällen kann er auf seinen An—
trag wegen weiter Entfernung von der Verpflichtung zum Erscheinen
entbunden werden. Gegen einen unentschuldigt ausgebliebenen Ange—
klagten erläßt das Gericht einen Vorführungs- oder einen Haftbefehl.
Die öffentliche? Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der
Sache und der geladenen Zeugen und Sachverständigen.19 Die Zeu-
gen müssen sich jedoch vorläufig wieder aus dem Sitzungssaale ent-
fernen. Nachdem der Angeklagte über seine persönliche Ver-
haltnisse vernommen worden ist, wird zunächst der Beschluß über die
Eröffnung des Hauptverfahrens verlesen, der die dem Angeklagten
zur Last gelegte Tat schildert. Es folgt die eingehende Ver-
nehmung des Angeklagten über die Anklage. Hierauf werden die
Zeugen einzeln vorgerufen und abgehört. Die Vernehmung der
Zeugen und Sachverständigen geschieht, soweit zulässig, eidlich."#
Das Zeugnis darf nur aus den im Gesetze bestimmten Gründen 12
verweigert werden. Jeweils nach Vernehmung eines Zeugen oder
Sachverständigen und nach Verlesung eines als Beweismittel dienen-
den Schriftstücks 15 wird der Angeklagte befragt, ob er etwas zu er-
klären habe. Nach Beendigung der Beweisaufnahme erhalten der
Staatsanwalt und sodann der Angeklagte und sein etwaiger Vertei-
diger zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort. Dem Ange-
klagten steht stets das letzte Wort zu, bevor sich der Gerichtshof zur
geheimen Beratung des Urteils zurückzieht.
* Wegen des möglichen Ausschlusses der Oeffentlichkeit
s. Nr. 205.
1% Unentschuldigt ausgebliebene Zeugen und Sachverständige werden
in Geldstrafen und in die durch eine Vertagung der Verhandlung entstehen-
den Kosten verfällt.
JUnbeeidigt werden jedoch vernommen Personen unter
16 Jahren, sowie geistig unreife oder schwache Personen, ferner wegen Mein-
eides mit Zuchthaus Bestrafte (s. Nr. 260) und solche Personen, die der
Teilnahme, Begünstigung oder Hehlerei bezüglich der betreffenden strafbaren
Handlung verdächtig sind; endlich in der Regel die nahen Angehörigen und
Verwandten des Angeklagten.
* Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berech-
tigt der Verlobte, der Ehegatte und die nahen Verwandten oder Verschwä-
gerten des Angeklagten, ferner Geistliche, Aerzte, Rechtsanwälte und öffent-
liche Beamte, soweit sie zur Verschwiegenheit durch ihren Beruf verpflichtet
sind. Endlich können die Zeugen die Aussage auf solche Fragen berweigern,
deren Beantwortung ihnen oder ihren Angehörigen die Gefahr strafgericht-
licher Verfolgung zuziehen würde.
An Stelle der mündlichen Vernehmung eines Zeugen darf nur dann
die Verlesung des Protokolls über seine frühere gerichtliche Vernehmung
treten, wenn die Ladung des Zeugen wegen Krankheit oder Tods oder wegen
weiter Entfernung usw. unmöglich oder erschwert war.