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110 Das Strafverfahren
und Höhe der festzusetzenden Strafe gehört, worauf der Gerichtshof
in geheimer Beratung das Urteil beschließt und in öffentlicher
Sitzung verkündet. Ist jedoch der Gerichtshof einstimmig der Ansicht,
daß die Geschworenen mit ihrem Spruche sich zum Nachteile des An-
geklagten geirrt haben, so erläßt er kein Urteil, sondern verweist die
Sache durch einen sofort zu verkündenden Beschluß vor das Schwur-
gericht der nächsten Sitzungsperiode, welches alsdann endgültig in
der Sache entscheidet.
5. Berufung, Revision und Wiederaufnahme des Verfahrens.
Gegen die Urteile der Schöffengerichte kann von der Staatsan-
waltschaft wie von dem Angeklagten Berufung eingelegt werden;
über diese entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Gegen
das Urteil dieses Berufungsgerichts ist nochmals ein Rechtsmittel,
nämlich die Revision an das Oberlandesgericht, in Bayern an
das Oberste Landesgericht in München zulässig.
Gegen die von den Strafkammern der Landgerichte in erster In-
stanz gefällten Urteile dagegen und gegen die Urteile der Schwur-
gerichte ist nur das Rechtsmittel der Revision an das Reichsgericht zu
Leipzig gegeben.
Der Unterschied zwischen der Berufung und der
Revision liegt darin, daß bei der Berufung die ganze Sache vor
dem höheren Gericht nochmals, sofern nötig, vollständig neu verhan-
delt wird; es können auch neue Beweise erhoben werden, und über-
haupt sind die Feststellungen des ersten Gerichts für das Beru-
fungsgericht in keiner Hinsicht bindend. Bei der Revision hingegen
hat das höhere Gericht nur nachzuprüfen, ob nicht das Gesetz unrichtig
ausgelegt worden ist und ob nicht wesentliche Verfahrensvorschriften
verletzt worden sind; dagegen kann das Revisionsgericht keine neuen
Beweise erheben; vielmehr ist es an die Feststellungen des Unterge-
richts gebunden, d. h. es muß die Tatsachen, welche das erste Gericht
für erwiesen erachtet hat, seinem Urteile gleichfalls zugrunde legen.
Die Berufung wie die Revision muß jeweils binnen einer Woche
nach Verkündung des Urteils bei dem Gericht, dessen Urteil ange-
½ Die Revision dient vornehmlich dem Zweck, eine im ganzen Reiche
einheitliche Auslegung der Strafgesetze zu sichern; für den Angeklagten
ist dieses Rechtsmittel seiner Natur nach in den meisten Fällen wenig wirk-
sam. Die kommende Strafprozeßreform wird daher voraussichtlich auch
gegen die Strafkammerurteile die von der öffentlichen Meinung verlangte
Berufung bringen.
Wenn die Rebision von einem Oberlandesgericht oder dem Obersten
Landesgericht verhandelt wird, können auch Mängel des Verfahrens, die bei
Erlassung des angefochtenen Urteils vorkommen, nicht gerügt werden.