Full text: Bürgerkunde.

Das Militärstrafverfahren 115 
mando der Marine ihren Sitz haben und aus 2 Kriegsgerichtsräten 
und 5 Offizieren bestehen. Ueber die Revisionen gegen ihre Urteile 
entscheidet das (dem Reichsgericht entsprechende) Keichsmilitär- 
gericht zu Berlin. Dieses Gericht urteilt in Senaten “, welche 
in der Regel mit 4 militärischen und 3 juristischen Mitgliedern besetzt 
sind. Die ersteren werden jeweils nur auf zwei Jahre bestellt, wäh- 
rend die juristischen Mitglieder auf Lebenszeit vom Kaiser ernannt 
werden. An der Spitze des Gerichtshofs steht als Präsident ein vom 
Kaiser ernannter General oder Admiral; ihm liegt die Leitung der 
Geschäfte ob, auch untersteht ihm die als Anklagebehörde beim Ge- 
richtshof fungierende Militäranwaltschaft; an der Recht- 
sprechung selbst nimmt er jedoch nicht teil. 
Eine wichtige Rolle spielt im Militärstrafverfahren der Ge- 
richtsherr, d. h. der militärische Befehlshaber, dem nach dem 
Gesetze die sogenannte niedere oder die höhere Gerichtsbarkeit zusteht. 
Gerichtsherr der niederen Gerichtsbarkeit, welche 
nur die leichteren Fälle umfaßt und sich auf Offiziere nicht erstreckt, ist 
in der Regel der Regimentskommandeur, Gerichtsherr der höhe- 
ren Gerichtsbarkeit ist zumeist der kommandierende General 
oder Admiral, der Divisionskommandeur oder der Festungskom- 
mandant. Ergibt sich der Verdacht einer strafbaren Handlung, so 
ordnet der Gerichtsherr ein Ermittelungsverfahren an und ernennt 
als Untersuchungsführer einen Gerichtsoffizier oder (bei kriegsgericht- 
lichen Sachen) einen Kriegsgerichtsrat; nötigenfalls erläßt er auch 
gegen den Beschuldigten einen Haftbefehl. Ist die Untersuchung ab- 
geschlossen, so setzt der Gerichtsherr entweder den Beschuldigten außer 
Verfolgung, oder er verfügt die Anklage und beauftragt einen Ge- 
richtsoffizier oder Kriegsgerichtsrat mit ihrer Vertretung vor dem 
Militärgericht 75. 
Das Verfahren in der Hauptverhandlung vor den Militärge- 
richten entspricht im allgemeinen dem Verfahren vor den bürgerlichen 
Strafgerichten. Die Verhandlung ist öffentlich; doch kann die 
Oeffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit, der Disziplin 
oder der Sittlichkeit ausgeschlossen werden. Den Vorsitz führt der 
rangälteste Offizier; die Leitung der Verhandlung (Vernehmung 
des Angeklagten und der Zeugen usw.) dagegen steht dem dienst- 
altesten Kriegsgerichtsrat zu. Der Gerichtsherr selbst darf der Ver- 
handlung nicht anwohnen. 
  
  
Für das bayerische Heer besteht beim Reichsmilitärgericht 
ein besonderer Senat, dessen Mitglieder vom König von Bayern ernannt 
werden. 
Eine besondere Militäranwaltschaft als Anklagebehörde besteht nur 
beim Reichsgericht. 
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