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118 Das bürgerliche Recht
Landesgesetze nur insoweit treffen, als dies von der Reichsgesetzgebung
ausdrücklich zugelassen ist?.
Wenn wir, wie dies oben geschah, von dem bürgerlichen Recht
sprechen, so verstehen wir unter dem Worte „Recht“ eine Summe
von Rechtssätzen. Das Wort Recht wird aber nicht nur in diesem
objektiven, sondern auch in subjektivem Sinne ge-
braucht; dann bedeutet es die vom objektiven Recht (den Gesetzen)
anerkannte Befugnis einer Person, seinen Willen in gewisser Hinsicht
geltend zu machen. Ein solches subjektives Recht ist ein dingliches
oder ein per sönliches Recht, je nachdem es in der Befugnis
besteht, über einen dinglichen (beweglichen oder unbeweglichen) Gegen-
stand zu verfügen oder von einer Person eine bestimmte Handlung
oder Unterlassung zu verlangen.
Den subjektiven Rechten der einzelnen entsprechen die Ver-
bindlichkeiten, und zwar steht jedem dinglichen Recht einer
Person gegenüber die Verbindlichkeit aller anderen, sich jeder dieses
Recht verletzenden Verfügung über die betreffende Sache zu enthalten,
während jedem persönlichen Recht einer Person lediglich die Verpflich-
tung der anderen Person entspricht, diesem Rechte entsprechend zu
handeln.
A. Allgemeine Tehren des bürgerlichen Rechts.
I. Die Personen.
1. Die natürlichen Personen.
Die Rechtsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, Träger von Rech-
ten und Verbindlichkeiten zu sein, besitzt jeder Mensch in vollem Um-
: Es läßt sich nicht leugnen, daß infolge dieser weitgehenden Zulassung
der landesgesetzlichen Regelung gewisser Rechtsgebiete unsere deutsche Rechts-
einheit manche fühlbare Lücken aufweist. Dieser Zustand hat zugleich die
unerfreuliche Folge, daß es selbst für Juristen in bielen Fällen schwer ist,
sich in dem bunten Nebeneinander von Reichs= und Landesgesetzen rasch
zurecht zu finden. Für Nichtjuristen ist das fast unmöglich. Aber auch ab-
gesehen von diesen Schwierigkeiten ist jedem Rechtsunkundigen der Versuch
zu widerraten, einen verwickelteren Rechtsfall lediglich an der Hand des
Textes des Bürgerlichen Gesetzbuchs beurteilen zu wollen. Zwar ist die
Sprache dieses Gesetzbuchs durchaus scharf, knapp und logisch und auch von
Fremdwörtern ziemlich frei, aber (vielleicht gerade wegen ihrer Knapp-
heit und Schärfe) nicht für jedermann leicht verständlich, und viele ihrer
Ausdrücke haben eine ganz bestimmte, in einem anderen Teile des Gesetz-
buchs festgestellte, keineswegs immer selbstverständliche Bedeutung. Dazu
kommt noch, daß die einzelnen Vorschriften des Gesetzbuchs zueinander in
zahlreichen Beziehungen stehen und einander gegenseitig ergänzen, so daß
die wirkliche Tragweite einer Vorschrift sehr häufig nur demjenigen erkenn-
bar ist, der das ganze Gesetzbuch beherrscht.