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124 Das bürgerliche Recht
lung sehr gegen den Willen des Täters dessen Schadensersatzpflicht
zur Folge), oder sie bestehen in Willenserklärungen, die gerade zum
Zweck der Herbeiführung einer bestimmten Rechtswirkung abgegeben
werden. Diese letzteren Handlungen nennt man Rechtsge-
schäfte.
Die Rechtsgeschäfte wiederum sind einseitige, wenn
sie in der Willenserklärung nur einer Person bestehen, was z. B. bei
der Kündigung eines Mietvertrags oder eines Darlehens, bei der An-
nahme einer Erbschaft und bei der Errichtung eines Testaments der
Fall ist. Rechtsgeschäfte, welche in der übereinstimmenden, gegen-
seitigen Willenserklärung zweier (oder mehrerer) Personen bestehen,
heißen zweiseitige Rechtsgeschäfte oder Verträge.
2. Die Willenserklärungen und die Willensmängel.
Jedes Rechtsgeschäft ist, wie bereits gesagt, eine Willenserklä-
rung; es setzt daher voraus, daß ein auf die Hervorbringung eines
rechtlichen Erfolges gerichteter Wille einer oder mehrerer Personen
vorhanden ist, und daß dieser innere Wille durch eine Erklärung
äußerlich in Erscheinung tritt.
Die Erklärung des Willens ist in der Regel an keine
bestimmte Form gebunden; sie kann nicht nur ausdrücklich
(mündlich oder schriftlich), sondern auch stillschweigend durch
ein Verhalten erfolgen, das den Umständen nach mit Sicherheit auf
einen bestimmten Willen schließen läßt."? Nur ausnahmsweise sind
für gewisse Rechtsgeschäfte bestimmte Formen vorgeschrieben; z. B.
können, wie wir später noch sehen werden, Bürgschaften nur schriftlich
wirksam übernommen, Eheverträge, Schenkungsverträge und Grund-
stücksverkäufe nur gerichtlich oder notariell abgeschlossen werden.
Aus der äußeren Erklärung wird auf den wirklichen inneren
Willen geschlossen. Bei der Auslegung der Erklärungen
ist daher nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften,
sondern es ist der wirkliche Wille zu erforschen; Verträge insbeson-
dere sind (sagt das Gesetz) „so auszulegen, wie Treu und Glauben mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“.
Nicht selten kommt aber auch der Fall vor, daß der wirkliche
Wille mit der abgegebenen Erklärung nicht übereinstimmt. Was gilt
alsdann? Man muß hier unterscheiden:
½ Z. B. erkläre ich stillschweigend, indem ich eine elektrische Straßen-
bahn besteige, daß ich bereit bin, für meine Beförderung den allgemein
festgesetzten Fahrpreis zu zahlen und mich den sonstigen bekannten Beförde-
rungsbedingungen zu unterwerfen.