Allgemeine Lehren 125
a. Haben mehrere Personen einen Vertrag in beiderseitigem Ein—
verständnis nur zum Schein abgeschlossen, indem sie das Erklärte
in Wirklichkeit gar nicht wollten (was meistens in der Absicht geschieht,
dritte Personen zu täuschen), so bringt der Vertrag keinerlei Rechts-
wirkung hervor; er ist nichtig.s
b. Eine Willenserklärung, die nur im Scherz abgegeben wurde
und in der Meinung, der andere werde den Scherz als solchen er-
kennen, ist gleichfalls nichtig (z. B. das scherzhafte Angebot eines über-
trieben hohen Preises für eine Sache von geringem Wert).
c. Ein geheimer Vorbehalt (sog. Mentalreservation)
macht eine Willenserklärung selbstverständlich nicht nichtig, da sonst
niemand sich auf die Erklärungen eines anderen verlassen könnte.
Beispielsweise kann jemand, der seinem Schuldner erklärt hat, er er-
lasse ihm die Schuld, nicht behaupten, er habe nicht wirklich verzichten,
sondern nur verhüten wollen, daß der Schuldner seine pfändbaren
Fahrnisse beiseite schaffe.
d. Am häufigsten beruht die Nichtübereinstimmung einer Erklä-
rung mit dem Willen auf einem Irrtum. Ein solcher Irrtum
macht das Rechtsgeschäft anfechtbar dann, wenn der Betreffende irr-
tümlich (z. B. infolge eines Sprech= oder Schreibversehens oder eines
Mißverstehens) etwas anderes erklärte, als er wollte, “ oder wenn
er (3. B. weil er ein Wort in falscher Bedeutung gebrauchte) sich über
den Inhalt seiner Erklärung eine falsche Vorstellung machte,„1 oder
endlich, wenn er sich im Irrtum befand über erhebliche Eigenschaften
der Person oder der Sache.:
1 Dieser Fall liegt z. B. vor, wenn ein von seinem Gläubiger mit
Pfändung bedrohter Schuldner seine pfändbaren Fahrnisse an einen Ver-
wandten mit schriftlichem (häufig auch notariell beurkundetem) Vertrag zum
Schein abtritt, angeblich zur Bezahlung einer in Wirklichkeit erdichteten
Schuld. Dieser Scheinvertrag begründet keinen Eigentumsübergang
und hindert die Gläubiger nicht, die angeblich verkauften Fahrnisse bei ihrem
Schuldner pfänden zu lassen oder von dem Dritten die Herausgabe zu ver-
angen.
1 Ein solcher Irrtum ist z. B. gegeben, wenn jemand infolge eines
Schreibfehlers Kohlen zum Preise von 0,50 anstatt von 1,50 M. für den
Zentner zum Kaufe anbietet. Ebenso wird ferner beurteilt der Fall, daß
eine Willenserklärung durch eine mit der Uebermittelung beauftragte Per-
son (z. B. durch einen Boten oder durch die Telegraphenanstalt) unrichtig
übermittelt worden ist; denn das Versehen des Uebermittlers wird so be-
trachtet, als sei es ein Versehen des Auftraggebers selbst.
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· In einer falschen Vorstellung über den Inhalt seiner Erklärung be-
findet sich z. B. jemand, der eine Sache für 100 Pfund Sterling zu kaufen
erklärt, in der Meinung, ein Pfund gelte nicht 20, sondern nur 10 M.
* Ein Irrtum über wesentliche Eigenschaften der
Person oder Sache ist z. B. vorhanden, wenn jemand einen Vertrag
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