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126 Das bürgerliche Recht
In allen diesen Fällen kann aber eine Willenserklärung wegen
Irrtums nur angefochten werden, wenn der Irrtum ein wesentlicher
ist, d. h. wenn anzunehmen ist, daß der Erklärende die Erklärung bei
Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles
nicht abgegeben haben würde.a
Die Anfechtung muß dem anderen Teile gegenüber unver—
züglich erklärt werden, nachdem der Irrende Kenntnis von seinem
Irrtum erhalten hat. Ist sie begründet, so gilt das Rechtsgeschäft als
nicht geschlossen, es ist nichtig, aber der Anfechtende muß der gut-
gläubigen Gegenpartei den Schaden ersetzen, den diese dadurch
erlitten, daß sie auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts vertraut hat.
e. Ist endlich jemand zu einer Willenserklärung (insbesondere
zum Abschluß eines Vertrags) durch arglistige Täuschung
oder durch Drohung veranlaßt worden, so kann er seine Erklärung
innerhalb Jahresfrist seit Entdeckung der Täuschung oder Beendigung
der Zwangslage anfechten.
3. Abschluß und Inhalt der Rechtsgeschäfte.
Die zum Abschluß eines Vertrags erforderliche Willenseinigung
mehrerer Personen kommt dadurch zustande, daß der Vertragsantrag
der einen Person durch die Gegenpartei angenommen wird. Die An-
nahme muß ohne Verzögerung erfolgen, sonst ist der Antragende an
seinen Antrag nicht länger gebunden. Eine von dem Antrag ab-
weichende Annahme gilt als Ablehnung, verbunden mit einem neuen
Antrag.:s
Bei Abschluß eines Rechtsgeschäftes kann sich jede Partei von
einer anderen Person vertreten lassen, indem sie ihr Vertre-
tungsvollmacht erteilt. Der Vertreter muß, wenn er
mit einem anderen abschließt, den er irrtümlich für dessen ihm sehr ähnlichen
Zwillingsbruder hält, oder wenn er eine bloße Kopie für ein Original-
gemälde eines bekannten Meisters kauft. Im übrigen begründet sonst ein
sog. Irrtum im Beweggrund grundsätzlich keine Anfechtung. Z. B.
kann ein Bauunternehmer, der 100 000 Stück Backsteine bestellte, weil er
irrtümlich seinen Bedarf für einen Neubau so hoch berechnete, diese Bestel-
lung nicht wegen Irrtums anfechten.
* Wenn z. B. jemand bei Bestellung seines Winterbedarfs an Kohlen
versehentlich 55 Zentner anstatt 50 Zentner schrieb, so kann er wegen eines
solchen unwesentlichen Irrtums die Bestellung nicht anfechten.
½ Biete ich z. B. dem B. schriftlich mein Haus zum Kauf an für 30 000
Mark bei jährlicher Abzahlung von 5000 M. und antwortet B., er nehme das
Angebot an, wolle aber jährlich nur 3000 M. abzahlen, so liegt hier in
Wirklichkeit keine Annahme, sondern eine Ablehnung meines Angebots vor
und zugleich ein Gegenangebot des B. dahin, ich solle ihm das Haus für
30 000 M. bei jährlichen Abzahlungen von 3000 M. verkaufen.