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128 Das bürgerliche Recht
III. Die Ausübung und Verjährung der Rechte.
1. Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur
Zzur Schikane geschieht, d. h. nur den Zweck haben kann, einem
anderen Schaden zuzufügen. So darf z. B. niemand auf der Grenze
seines Grundstücks eine hohe Mauer nur zu dem Zweck errichten, dem
verhaßten Nachbarn Luft und Licht abzuschneiden.
2. Sofern unsere Rechte oder Ansprüche von anderen nicht beachtet
oder verletzt werden, müssen wir im allgemeinen die Hilfe des Ge-
richts anrufen (s. Nr. 564); doch ist die Selbsthilfe in gewissem
Umfange dann erlaubt, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu
erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß
die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert
werde. Als eine solche erlaubte Selbsthilfe ist es z. B. unter Um-
ständen zu betrachten, wenn ein Jagdberechtigter einen auf seinem
Gebiet öfter jagenden, ihm unbekannten Hund erschießt.
3. Wird ein Anspruch, der jemanden gegen einen anderen zusteht,
nicht geltend gemacht, so tritt nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes
die Verjährung des Anspruchs ein. Die gerichtliche Geltend-
machung des Anspruchs ist alsdann ausgeschlossen, jedoch nur, wenn
der Gegner sich auf die Verjährung beruft, von Amts wegen darf also
das Gericht die Verjährung nicht berücksichtigen.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre:
doch gelten für eine Reihe von Ansprüchen aus den Geschäften des
täglichen Lebens, über welche häufig keine Aufzeichnungen gemacht
werden, kürzere Verjährungsfristen, durch deren Einführung zugleich
dem volkswirtschaftlich nachteiligen und den Geschäftsbetrieb der
Kaufleute erschwerenden Borgsystem entgegengetreten werden sollte.
So verjähren in 2 Jahren z. B. die Forderungen der Kaufleute,
Fabrikanten und Hanbwerker für Lieferung von Waren und Arbeiten,
vorausgesetzt, daß die Lieferung nicht für den Gewerbebetrieb des
Schuldners erfolgt ist; denn in letzterem Fall tritt die Verjährung
erst in 4 Jahren ein. In 2 Jahren verjähren ferner die Forderungen
der Dienstvoten, Handlungsgehilfen u. dgl. für Lohn usw., ferner die
Forderungen der Lehrer, Aerzte und Rechtsanwälte an Honorar usw.
In 4 Jahren verjähren die Ansprüche auf Rückstände von wieder-
kehrenden Leistungen, wie Kapitalzinsen, Amortisationsquoten, Miet-
und Pachtzinsen u. dgl.
Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen mit dem
Augenblick, in welchem der Anspruch entstanden ist; der Lauf der oben
erwähnten kurzen Verjährungsfristen beginnt jedoch erst mit dem